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Hemingway,
Pamplona und
die Sanfermines
festgehalten, mit dem Erzähltalent des Ro-
manciers hat er der Stadt und ihrer Feier ein
literarisches Denkmal gesetzt. Vor uns liegt
noch heute ein regelrechtes „Pamplona-Le-
sebuch“ , ein „Fiesta-Puzzle“, durchlebt von
Jake Barnes.
So wie sein Erzähler, so mag auch He-
mingway die Straßen Pamplonas von der
Plaza del Castillo aus durchstreift haben.
Nach einem Kaffee unter den Arkaden des
Iruña mag er zum Rathaus (Ayuntamiento)
geschlendert sein. Von dort gehen wir am
heutigen „Unzu“-Kaufhaus vorbei, durch die
leicht ansteigende Calle Curia und lesen:
„Am Ende der Straße sah ich die Kathedrale
und ging auf sie zu. Das erste Mal, als ich sie
sah, fand ich die Fassade hässlich, aber jetzt
mochte ich sie gern. Ich ging hinein.“ Einige
Tage später starten die Sanfermines: „Sonn-
tag mittag, den 6. Juli, brach die Fiesta aus.
Es gibt keinen anderen Ausdruck dafür.“
Ihren bäuerlich-ländlichen Charakter ha-
ben die Sanfermines mittlerweile verloren,
woran Hemingways Roman nicht ganz
schuldlos ist. Zehntausende Fiestafreudige
aus aller Welt lockt die Stadt alljährlich zwi-
schen dem 6. und 14. Juli an. Und die Skiz-
zen Jake Barnes' haben unverändert Gültig-
keit: Die Fiesta dauert tatsächlich Tag und
Nacht. Man tanzt und trinkt unentwegt, und
der Lärm nimmt kein Ende. All die ohren-
betäubenden Töne, die Stimmung und die
Gelage erlebte Hemingway ebenso intensiv
mit wie die allmorgendliche Stierhatz, den
encierro, ein Spiel auf Leben und Tod. Auch
heute noch werden regelmäßig Encierro-
Läufer von Stieren erfasst, genauso wie
Hemingway es beschreibt.
Der Schriftsteller kehrte immer wieder zur
Fiesta nach Pamplona zurück: 1927, 1929,
1931, 1953 und 1959. Auch bei seinen letz-
ten Sanfermines soll ihm nicht ein einziger
encierro entgangen sein. Am 2. Juli 1961
setzte Hemingway seinem Leben in Ket-
chum, Idaho, mit einem Jagdgewehr ein
Ende.
Ernest Hemingway, 1899-1961, Literatur-
Nobelpreisträger 1954, Haudegen in Bars
und Betten, war zeitlebens fasziniert vom
Fiestafieber in Pamplona. 1923 feierte er erst-
mals Spaniens größte Fiesta mit und kehrte
in den beiden darauffolgenden Jahren ei-
gens zu den Sanfermines in die navarresi-
sche Hauptstadt zurück. Er stieg im - heute
verschwundenen - Hotel Quintana an der
Plaza del Castillo ab, setzte sich mit Vorlie-
be auf die Platzterrassen der Cafés Iruña
und Choko, stürzte sich in den Straßentru-
bel, jubelte den Toreros in der Arena zu und
stellte ein ums andere Mal seine Trinkfestig-
keit auf die Probe. Die Sanfermines boten
Hemingway den idealen Rahmen für seinen
Roman „Fiesta“ (1926, engl. „The Sun also
Rises“), den er der verlorenen Generation
des Ersten Weltkrieges widmete.
Inmitten der Sanfermines suchen He-
mingways Romangestalten neue Ziele und
Wirklichkeiten. Jake Barnes, der Ich-Er-
zähler, Robert Cohn und die anderen US-
Bohemiens sind von den Gräueln der
jüngsten Kriegsvergangenheit gezeichnet.
Sie durchleben die Fiesta, berauschen sich
an Alkohol und Ausgelassenheit - und blei-
ben die vom Schicksal Besiegten, denen es
lediglich gelingt, sich für ein paar Tage zu
betäuben. Kritiker und Leserschaft nahmen
den Roman begeistert auf. Es war die An-
klage der Jugend gegen die Väter, die den
Krieg zugelassen hatten - wobei in „Fiesta“
das Wort „Krieg“ kein einziges Mal auf-
taucht.
Die Szenen in Pamplona spielen an der
Plaza und in den Altstadtgassen, in der
Arena, in Bars, Cafés und Hotelzimmern.
Mit der Beobachtungsgabe des Journalis-
ten hat Hemingway die betäubende Sze-
nerie der „Fiesta“ dokumentarisch genau
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