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Schlingerkurs in der Terrorismuspolitik ge-
fahren sind. Einerseits zeigten sie harte
Hand gegen die ETA, was mit dem Verbot
der terrorismusnahen Partei Euskal Herrita-
rok (vormals Herri Batasuna) verbunden
war. Andererseits wurden geheime Ver-
handlungen mit den Separatisten aufge-
nommen und Zugeständnisse gemacht,
vor allem bei der erheblichen Reduzierung
von Haftstrafen für Attentäter bzw. der Ver-
legung von Strafgefangenen aus heimatfer-
nen Gefängnissen zurück ins Baskenland.
Zwischenzeitlich wurde sogar - trotz Pro-
teststürmen aus dem Volk - der über 20-
fache Mörder Iñaki de Juana Chaos in die
Freiheit entlassen. Ebenso grotesk ist auch,
dass die dubiosen Verantwortungsträger
der offiziell verbotenen ETA-nahen Partei
noch immer durch die Medien und das po-
litische Tagesgeschehen geistern. Der Trick
fußt auf Umbenennung der Gruppierung.
Mal nennt sie sich Batasuna, mal Sozialista
Abertzale.
Weitere Inkonsquenz im Durchgreifen
der spanischen Politik: Die allseits bekann-
ten Treffpunkte von ETA-Sympathisanten,
die herriko tabernas, sind entgegen früherer
Ankündigungen bis heute nicht geschlos-
sen worden. Im Gegenzug zu solcherlei
stillen Zugeständnissen hat die ETA mehr-
fach eine offizielle Waffenruhe verkündet
(zuletzt 2006-2007). In diese Zeit fiel para-
doxerweise das verheerende Sprengstoff-
attentat auf den Flughafen von Madrid,
das zwei Menschen in den Tod riss und
Sachschäden in Millionenhöhe verursach-
te. Vor größeren Blutbädern, wie noch in
den Achtziger Jahren, schreckt die ETA
heute zurück, um sich nicht die letzten
„Sympathien“ zu verscherzen. Insofern
gehört es zum üblichen Vorgehen, bei
Behörden oder Zeitungen anzurufen und
eine deponierte Autobombe in dieser oder
jener Zone anzukündigen. Das gibt die
Möglichkeit, die Gegend zu räumen und
Schlimmeres zu verhindern - oder aber die
an der Räumung des Geländes beteiligten
Polizisten in eine tödliche Falle zu locken.
Man darf ebenfalls nicht übersehen, dass
Waffenstillstände der ETA nicht an die Ein-
sicht gekoppelt sind, mit Pistolen und Bom-
ben nichts bewirken zu können, als viel-
mehr an das Kalkül, sich in der Zwi-
schenzeit neu zu formieren sowie Wagen
und Sprengstoff zu beschaffen. Dank bila-
teraler Zusammenarbeit von Spanien und
Frankreich wurden im Laufe 2008 mehrere
führende Köpfe der ETA dingfest gemacht.
Mit der spektakulären Festnahme Jurdan
Martitegis und einiger weiterer Aktivisten
am 19. April 2009 gelang der Polizei erneut
ein empfindlicher Schlag gegen die Sepa-
ratistenorganisation, da Martitegi als mut-
maßlicher Militärchef und „Nummer Eins“
im Führungskader der ETA gilt.
Was bleibt, ist eine Hoffnung auf dauer-
haften Frieden im Baskenland. Die radikale
Haltung der (einstigen) Terroristen und ih-
rer Sympathisanten hat das nicht verändert.
Das oberste, realitätsferne Endziel ist nach
wie vor ein nach innen und außen souverä-
ner, aus den historischen spanischen und
französischen Provinzen bestehender bas-
kischer Freistaat mit einer sozialistischen
Gesellschaftsordnung.
Für den Reisealltag von Auswärtigen be-
steht grundsätzlich keine Gefahr. Zu Ge-
sicht bekommen wird man allenfalls gele-
gentliche Pro-ETA-Graffitis oder Plakate an
Balkonen wie in San Sebastián, Bilbao und
Pamplona. Auf dem weißen Untergrund
der Plakate ist das „freie Baskenland“ als
schwarze Fläche abgebildet - und zwar so,
wie es nach dem Willen der Unabhängig-
keitsbefürworter in Zukunft einmal ausse-
hen soll. Ebenfalls zu sehen sind rote Pfeile,
die die heimatnahe Verlegung inhaftierter
ETA-Terroristen („Euskal presoak“) unter-
streichen. Dies sind klare Bekenntnisse zum
Terrorismus - unverantwortlich geduldet
von den spanischen Behörden.
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