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Die furchtbare Flut von 1717
Die frühe Juister Geschichte, später mehr zu ihr, beinhaltet eine Abfol-
ge schwerer und schwerster Sturmfluten, die dem verletzlichen Sand-
haufen arg zusetzten. Nachverfolgbare Aufzeichnungen der Schäden
beginnen jedoch erst bei stärkerer Besiedlung der Insel vom 17. Jahr-
hundert an.
Schlimme Verwüstungen zog die Petriflut von 1651 nach sich, die
im Westteil der Insel den „Hammrich“ entstehen ließ, der das schmale
Hemd Juist in zwei Teile zerriss und dessen Reste heute noch in Ge-
stalt des schönen Hammersees erhalten sind. Die Fastnachtsflut von
1715 zerstörte unter anderem die (zweite) Inselkirche. (Die erste wur-
de 1651 komplett zerstört.)
Doch alles dies verblasst im Vergleich zu den Schlägen, die die so
genannte Weihnachtsflut vom 24. auf den 25. Dezember 1717 gegen
die deutsche Küste und die Inseln austeilte ...
Schon am 23. hatte es heftig aus Südwest geweht. Am Folgetag
nahm der Wind noch zu und drehte am frühen Nachmittag auf West
und wenig später auf Nordwest - die charakteristische oben beschrie-
bene Abfolge. Gegen Mitternacht am Heiligabend wurde es etwas ru-
higer. Überall an der Küste begaben sich die Menschen vom obligaten
Kirchgang relativ unbesorgt nach Hause - noch einmal Glück gehabt,
freute man sich.
Doch die Fortüne hatte keinen Bestand. Ab ungefähr 1 Uhr wuchs
der Wind dramatisch wieder an und schwoll bei gleichzeitigen Gewit-
tern zum Orkan - Durchzug einer Kaltfront mit Windsprung auf Nord-
west! Durch den anhaltenden Südwestwind hatte sich viel Wasser in
der Deutschen Bucht gestaut, und hinter diesen „Berg“ griff jetzt der
Megasturm und drückte ihn in Richtung auf das Land. Beobachter
sagten später, noch nie hätte das Wasser an der Nordsee so hoch ge-
standen - wahrscheinlich um sieben Meter über Normalnull. Die
„Weihnachtsflut“ von 1717 gilt deshalb als schwerstes Naturereignis in
der Geschichte Ostfrieslands, bei dem 2752 Menschen ertranken.
Das erste Dorf Juist war bereits vor der Petriflut von 1651 evakuiert
worden, und die Einwohner hatten an anderen Stellen das Loog- und
Billdorf gegründet. Letzteres, am Westende, wurde von der Weih-
nachtsflut großenteils zerstört oder unbewohnbar gemacht, nachdem
die See an vier Stellen durch die Dünen gebrochen war. 28 Dörfler
starben dort; nur ein Mann konnte sich retten. Das Loogdorf blieb er-
halten, aber mehrere Looger, die vom Kirchgang heimstrebten, wur-
den am Hammer von tsunamigleichen Riesenseen überrascht und er-
tranken.
Als alles vorbei war, bot die Insel ein Bild der Verwüstung und Ent-
völkerung. Ein paar Jahre nach der Katastrophe klagt der Strandvogt,
„die miserable Sandbrinke Juist“ würde wohl bei der nächsten hohen
Flut endgültig untergehen. Juist, wie wir wissen, hielt stand. Doch 1717
war's verflixt knapp.
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