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Strandjer
Offenbar liegt es im Charakter der Juister, sich
nach allen Schicksalsschlägen wieder rasch aufzu-
rappeln. Das gelang ihnen schon nach der Weih-
nachtsflut, als, wie bereits erwähnt, plötzlich aus
dem Nichts eine ansehnliche Flotte von Juister
Schiffen entstanden war. Man fragt sich allerdings:
Woher bezog diese vorgeblich so bitterarme Ge-
sellschaft das Kapital für die „vielen und schwe-
ren Schiffe“, von denen da die Rede ist? 1793 ist
sogar von einem funktionierenden Sozialsystem
die Rede. Wo kam das Geld dafür her?
Die Antwort ist einfach: Es lag am Strand, man
brauchte es nur aufzusammeln. Von alters her galt
den Nordsee-Insulanern das Motto: „Gott segne
unseren Strand!“ Gute Menschen versuchen
manchmal heute diesen Schlachtruf als Gebet zu
interpretieren, die jeweiligen Inseln doch bitte von
Sturm und Not zu verschonen. In Wahrheit lagen
ihm aber viel profanere Motive zu Grunde ...
Was havariert an den Strand trieb, war für die
Bewohner aller Inseln stets vogelfreies Raubgut.
Um die dabei ums Leben kommenden Seeleute
kümmerte man sich kaum; sie hatten eben das
Pech gehabt, das einem auch selbst zustoßen
konnte. Unwahr ist jedoch, dass Seefahrer von In-
sulanern umgebracht wurden, um leichter an die
Beute zu gelangen.
Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt sorgten
Strandvögte dafür, dass der Landesherr den Lö-
wenanteil des Treibguts erhielt. Die Geschichte al-
ler Inseln ist voll von Reibereien zwischen dieser
ungeliebten Figur und den Einheimischen, die sich
nach Kräften bemühten, dem Vogt die Fundsa-
chen vorzuenthalten.
Aber sofern alles seinen regulären Gang ging,
erhielt jedermann seine „Strandportion“, wie be-
scheiden auch immer. Sogar dem Juister Insel-
schulmeister stand um 1700 ein Anteil zu, und
1779 trug eine Strandung dazu bei, dass eine
neue Schule gebaut werden konnte. Ein Schelm,
wer Schlechtes dabei denkt ...
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