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Die Sintfluten
häufen sich
der sich mit seinen beiden Kindern
zunächst auf einen Baum gerettet hatte
und dann doch mit ihnen ertrinkt. 395 Ge-
meinden werden überflutet, 3000 Häuser
schwer beschädigt, Autos liegen in den
Straßen, die wie Spielzeug weggeschleu-
dert wurden. 80 Prozent der Weinreben im
Gard sind vernichtet.
Im Oktober 1988 trifft es Nîmes. Auch
hier scheint es sich zunächst nur um ein
heftiges Herbstgewitter zu handeln. Doch
was dann geschieht, erleben Augenzeugen
als apokalyptisch. 35 Kilometer lang, zehn
Kilometer breit und acht Kilometer dick tür-
men sich die Wolken. Dazu eine totale, un-
heimliche Windstille. Die Stadt duckt sich,
gefangen unter einer gigantischen Glocke
aus Wasser. Als die Fluten herabplatzen, als
auch aus der ausgedörrten Garrigue rings-
um die Wassermassen heranrasen und sich
mit dem geborstenen Canal de la Fontaine
vereinigen, wird eine Schneise der Zer-
störung mitten durch die Stadt geschlagen.
Auch hier sterben mehrere Menschen.
Die Provence kennt seit jeher schwere
Unwetter. Doch die Häufung katastropha-
ler Wetterereignisse in den vergangenen
Jahrzehnten ist offenkundig. Ist es der Kli-
mawandel, die Bodenversiegelung, oder
beides zusammen? Wurde zu nah am Was-
ser gebaut, sind die Deiche zu schwach?
Inmitten einer Natur, die sich immer wieder
existenzbedrohend zeigt, ist Umweltschutz
mehr und mehr ein Thema.
Es passiert im Juni 2010, zu einer Jahres-
zeit, die heiß ist und trocken, als das Was-
ser kommt. Was sich am Himmel über Dra-
guignan zusammenbraut, ist gewaltig und
bedrohlich. Als sich die Wolken entladen,
fallen auf einem Quadratmeter binnen we-
niger Stunden 350 Liter Wasser. Soviel wie
sonst in einem halben Jahr. Mit Hubschrau-
bern und Booten werden die Bevölkerung
aus ihrer überfluteten Stadt gerettet. Mehr
als 20 Menschen sterben. Ganze Kranken-
häuser und Altenheime und sogar ein Ge-
fängnis werden evakuiert. Zehntausende
sind ohne Strom und Telefon. Als die Trüm-
mer beseitigt sind, beginnt die Diskussion:
Schon wieder ein Jahrhundert-Unwetter
in der Provence.
So wie 2002. Unwetter über Südfrank-
reich waren angekündigt, es ist September,
und niemand wundert sich. Oft saugen
sich im Spätsommer die Wolken über dem
warmen Mittelmeer voll, drücken dann ge-
gen die schon kalten Cevennen, und wenn
der Regen auf den ausgetrockneten Boden
fällt, kann er nicht abfließen. Doch diesmal
kommt es schlimmer als sonst. 750 Liter
pro Quadratmeter, die Regenmasse eines
ganzen Jahres, fällt innerhalb eines Tages.
23 Menschen sterben. Darunter ein Vater,
Am Ende eines solchen Feuers bleibt
die apokalyptische Stille einer ganz
und gar toten Landschaft zurück,
nackte Karstwüsten, wie es sie in den
Bergen von Marseille gibt, im Hinter-
land der Côte d'Azur oder in der Mon-
tagne de Lure.
Das zweite Problem der Provence
ist das Wasser. Dieses Land, dessen
Geschicke seit Menschengedenken
vom Wasser abhängen, hat dessen
nun manchmal zuviel. Regelmäßig im
Herbst gehen sintflutartige Regen
über dem Land nieder. Spektakulär
etwa das Unwetter über Nîmes 1988,
die große Flut im Jahr 2002 (s. Exkurs
oben) oder die verheerenden Nieder-
schläge über Draguignan in 2010.
Das Wasser bedroht auch die Ca-
margue, jenes einzigartige Ökosys-
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