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te Marseille, wie auch die übrige Pro-
vence, künftig an der kurzen Leine.
Davon ausgenommen blieben nur
Avignon und das Comtat Venaissin,
nominell noch immer Papstbesitz.
Hier, in Carpentras etwa oder in Ca-
vaillon, lebten auch die Juden, der kö-
niglichen Verfolgung entzogen, doch
eingesperrt in ihren Ghettos. Die fran-
zösischen Könige hatten nicht ver-
sucht, die päpstlichen Gebiete zu kau-
fen, denn erstens genossen die Be-
wohner vielfältige, garantierte Privile-
gien, zweitens dienten diese Enklaven
als Faustpfand bei Streitigkeiten mit
Rom. 1662 bis 1664 aber und 1688 bis
1689 besetzte der König den päpstli-
chen Besitz, ein Vorgang, der sich
1768 bis 1774 wiederholen sollte.
Orange hingegen, das noch unter der
Herrschaft der Nassauer stand, glie-
derte Ludwig XIV. 1702 ein. Im Ganzen
blieb es unter Ludwig XIV. friedlich in
der Provence, das intellektuelle Leben
und der Handel blühten auf im Geist
der Renaissance.
Indiz für die abnehmende Frömmig-
keit im Volke ist beispielsweise die sin-
kende Zahl bestellter Messen. Es über-
rascht nicht, dass Marseille auch hier
wieder eine Avantgarde-Rolle spielte.
Gleichzeitig erfuhr der nie ganz ver-
schwundene Gedanke einer Rückkehr
zur alten provenzalischen „Verfas-
sung“ neue Belebung, verbunden mit
der weiter gefassten Forderung, die
staatlichen Institutionen zu refor-
mieren.
Zu den unmittelbaren Anlässen der
Revolution muss in der Provence we-
niger das drastische Ansteigen des Ge-
treidepreises gezählt werden als viel-
mehr die allgemein desolate Situa-
tion der Armen, einhergehend mit
Problemen bei den urprovenzalischen
Gütern Wein (dessen Absatz stockte)
und Oliven (bei denen nach dem kata-
strophalen Frost von 1788/89 eine
Missernte bevorstand).
Das alles kam also zusammen und
entlud sich im Frühjahr 1789 in einer
Vielzahl von Querelen, Tumulten und
zum Teil gewalttätigen Aufständen.
Der Dritte Stand entsandte schließlich
einen revolutionär gesinnten Adeligen,
den Grafen Mirabeau von der Duran-
ce, als seinen Vertreter nach Versailles,
wo die Generalstände tagten.
Die revolutionären Ausschreitungen
gemahnten an das Vorbild der Haupt-
stadt. Wie in Paris die Bastille, so
stürmten die Marseillaiser Massen die
Forts als Symbole königlicher Macht.
Überhaupt spielte sich die beginnen-
de Revolution vor allem in den gro-
ßen Städten ab: zuerst Marseille, da-
neben Aix, schließlich Arles und Avig-
Im Zeitalter der Revolutionen
Die Provence war seit jeher eine reli-
giöse Gesellschaft, in welcher der ka-
tholische Glaube tief wurzelte. Jedem
Reisenden leuchtet das schon auf-
grund des Reichtums an Klöstern, Kir-
chen und Kapellen ein. Doch nach ei-
ner Blütezeit religiös-kirchlicher Betäti-
gung im späten 17. und in der ersten
Hälfte des 18. Jh. kam es etwa von
1760 an zu einer stärkeren Durchdrin-
gung der Gesellschaft mit aufkläreri-
schen, modernen Ideen. Ein sicheres
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