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bewohnten, dann eine kleine, intellek-
tuell gebildete Elite - etwa Pfarrer und
Notare - dann die Händler und Hand-
werker, die wohlhabenden Bauern,
schließlich die Masse der Armen, also
die einfachen Bauern, die Arbeiter und
Tagelöhner.
Eine Mischung, wie sie typisch war
für die provenzalische Gesellschaft,
wie sie aber anderswo nur in Städten
bestand. Was die großen provenzali-
schen Städte betrifft, so wuchs dort
allmählich eine Art Industrie heran, die
schon die Wasserkraft von Kanälen
und Flüssen für sich zu nutzen wusste:
Gerbereien, Töpfereien, auch Herstel-
ler von Tüchern und Stoffen, Seife
oder Papier. Mit all dem handelten die
Provenzalen weit über ihre Grenzen
hinaus, sie nutzten zum Transport die
Rhône und den Hafen von Marseille.
Der Dualismus zwischen Aix und
Marseille hatte sich schon herausgebil-
det: Aix, die feine intellektuelle Haupt-
stadt, wo Adlige, Rechtsgelehrte und
Verwaltungsbeamte saßen, Marseille
die Handelsmetropole.
Ganz anders das Haut Pays, die
Berge des Vaucluse und die Hochpro-
vence, wo das Leben härter war, allein
schon deshalb, weil Wein und Oliven,
Obst und Gemüse dort nicht gedie-
hen. Dementsprechend groß war die
Anziehungskraft des Bas Pays. Immer
mehr Menschen aus dem Hochland
stiegen herab, wie man das nannte,
und verdienten ihr Brot in den frucht-
baren Ebenen, zumindest saisonweise.
Im Ganzen erlebte die Provence ei-
ne friedliche Zeit nach all den Grau-
samkeiten der Religionskriege, eine
Zeit, in der Konflikte lokal begrenzt
blieben. Das politische Leben in den
Dörfern und Städten blühte auf.
Gegenüber der französischen Krone
blieben die Provenzalen indessen
wachsam. Kardinal Richelieu, der für
Ludwig XIII. die königliche Autorität
stärken und höhere Steuern eintreiben
wollte, löste 1630 eine Revolte des
Parlamentes von Aix aus. Ihre militäri-
schen Pflichten durchaus anerken-
nend, etwa wenn es gegen die Spanier
ging, berief sich die Provence wieder
stärker auf die Sonderrechte, die der
Vertrag zur Einheit mit Frankreich sei-
nerzeit garantiert hatte. Das Parlament
spielte so eine ambivalente Rolle: ei-
nerseits als Organ der Zentralgewalt,
andererseits, inoffiziell, als Hüter und
Verteidiger provenzalischer Interessen.
Das führte zu ständig schwelenden
Konflikten, die sich auch unter Minis-
ter Mazarin hinzogen, dem Nachfolger
Richelieus. Mazarin bekam es in die-
ser Sache mit seinem eigenen Bruder
zu tun, der als Erzbischof von Aix am-
tierte. Über den Frieden wachte dann
ein drittes Mitglied der Sippe, nämlich
ein Neffe Mazarins, der als Gouver-
neur über die Provence eingesetzt
wurde.
Nicht zufällig erhoben sich die letz-
ten Aufstände im gewohnt rebelli-
schen Marseille, sie fielen schon in die
Amtszeit Ludwigs XIV. Der Sonnenkö-
nig fackelte nicht lange und zog in ei-
nem symbolischen Akt gleich zu Be-
ginn seiner Regentschaft 1660 selbst
in die Stadt ein. Nicht zuletzt durch die
Bauten, die er errichten ließ, demons-
trierte er königliche Autorität und führ-
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