Travel Reference
In-Depth Information
1524 und 1536, sich der Provence zu
bemächtigen, doch er scheiterte nicht
zuletzt an der Loyalität der Provenza-
len zu ihrem König Franz I. von Frank-
reich.
Französisch geworden, verstanden
es die Provenzalen gleichwohl, eine
gewisse Selbstständigkeit zu erhalten,
zunächst jedenfalls. In 52 Kapiteln,
später hochtrabend, aber fälschlich als
„Verfassung der Provence“ bezeich-
net, legten sie der Zentralgewalt dar,
wie sie ihre Identität zu wahren ge-
dachten. Tatsächlich errangen sie eine
Reihe von Privilegien. So durften öf-
fentliche Ämter nur von gebürtigen
Provenzalen ausgeübt werden - eine
Klausel, die aber schon 1486/87 verlo-
ren ging. Damals bestätigten die Stän-
de die ausdrückliche und unverbrüch-
liche Bindung der Provence an Frank-
reich.
Faktisch gestaltete sich, was im Klei-
de einer Union daherkam, ohnehin als
Anschluss an das Königreich. Die Ge-
schichte der Provence sollte auf lange
Zeit bestimmt werden von einem Rin-
gen beider Seiten nach Vorherrschaft,
was sich auf provenzalischer Seite in
einem unermüdlichen Betonen der
Unabhängigkeit äußerte, in dem nicht
nachlassenden Versuch, sich dem
Klammergriff des Zentralismus zu ent-
ziehen. Letzlich scheiterte dieser Ver-
such, der Zentralismus sollte die Ge-
schicke der Provence lenken bis in un-
sere Tage.
Einen Vorgeschmack gab schon die
Gründung des Parlamentes von Aix
1501/02. Nach dem Modell des Pari-
ser Zentralismus entwickelte sich, eine
Stufe darunter, ein Aixoiser Zentralis-
mus, der die königliche Gewalt ent-
scheidend stärkte. Bald war die Amts-
sprache für alle offiziellen Texte nicht
mehr Lateinisch, sondern Französisch.
Jahrhundertelang sollten nun das Fran-
zösische und das Provenzalische ne-
beneinander bestehen, das eine die
Schriftsprache und elitär geprägt, das
andere die gesprochene, die volks-
tümliche Sprache.
Die Einheit mit Frankreich trug als-
bald Konflikte in den Süden. Als Frank-
reichs Tor zur mediterranen Welt ge-
wann die Provence in den Italien-Krie-
gen große strategische Bedeutung
und hatte Invasionen und Schlachten
auszustehen, etwa als Franz I. und
Karl V. aneinander gerieten.
Für die Juden, die sich zuvor, wenn
sie vom französischen König verfolgt
wurden, auf provenzalischen Boden
hatten flüchten können und dort in ei-
genen Stadtvierteln lebten, brach eine
neue Zeit der Unsicherheit an. Man
verfolgte sie und warf sie bald ganz
hinaus, und sie wanderten ab ins
Comtat Venaissin und nach Avignon,
ins von der Krone unabhängige Papst-
land.
Aber auch gegenüber den Reformis-
ten legte das Parlament von Aix eine
härtere Gangart ein bis hin zu jenem
denkwürdigen Beschluss des Jahres
1540, der ein wahres Gemetzel in den
Waldenser-Dörfern des Luberon zur
Folge hatte. Dieses Massaker an den
Waldensern war aber nur schauerli-
cher Höhepunkt der allgemeinen Reli-
gionskriege, die in der zweiten Hälfte
des 16. Jh. immer wieder aufflammten.
Search WWH ::




Custom Search