Travel Reference
In-Depth Information
Da die Griechen vor allem Handel
treiben und nicht etwa das Land ein-
nehmen und beherrschen wollten wie
ihre römischen Nachfolger, waren die
Beziehungen zu den Keltoligurern kei-
neswegs schlecht. Dieser Umstand
spiegelt sich in der griechischen Grün-
dungssage Massalias wider: Sie be-
sagt, dass die Griechen genau an dem
Tage in der Provence landeten, an
dem der keltische König Nann seine
Tochter Gyptis verheiraten wollte. Es
war bei ihnen Sitte, dass sich das
Mädchen nach Ende des Festmahles
unter den heiratsfähigen Adligen ihren
Gatten auswählen durfte, indem sie
ihm einen gefüllten Trinkbecher anbot.
Es kam, wie es kommen musste: Prin-
zessin Gyptis verliebte sich in Protis,
den schönen Anführer der Griechen,
und reichte ihm den Kelch. Damit war
sowohl ihre Hochzeit als auch die
Freundschaft zwischen den Urein-
wohnern und den Neuankömmlingen
besiegelt. Gyptis brachte eine bedeut-
same Mitgift mit in die Ehe, nämlich
den Hügel, auf dem sich heute die
Kirche Notre-Dame-de-la-Garde als
Wahrzeichen über Marseille erhebt.
Ebenso spiegelt folgender Umstand
die guten Beziehungen in Form einer
Art politischer Willensbekundung der
Griechen wider: Der Name des Kel-
tenstammes der Salier (oder Saluvier)
wurde mit dem alten, auch heute in
der Provence noch gebräuchlichen
Wort für Siedlung oder Haus, Mas, zu
Massalia verschmolzen.
Die Stadt erlebte einen raschen Auf-
stieg und beeinflusste in hohem Maße
das keltoligurische Umland. Die Mas-
salioten gründeten in und bei keltoli-
gurischen Siedlungen weitere Nieder-
lassungen, um ihre Geschäfte einfa-
cher abwickeln zu können und ihre
Waren zu lagern. Eigene Orte, wie das
seit ca. 550 v. Chr. bestehende Arelate
(Arles) sicherten sie mittels starker
Mauergürtel. Der sehr rege Warenaus-
tausch erfolgte über die großen Han-
delsstraßen, zum Beispiel Arles - Ta-
rascon - Avignon - Roquemaure. Bald
entstanden entlang der Küste und auf
dem Handelsweg nach Norden immer
mehr Stützpunkte und Tochtergrün-
dungen, darunter Antipolis (Antibes),
Nikäa (Nizza), Monoikos (Monaco)
und Glanon (oder Glanum bei Saint-
Rémy).
Im späten 2. Jh. v. Chr. beendete ei-
ne neue keltische Invasion das friedli-
che Zusammenleben von Griechen
und Ureinwohnern. In zunehmende
Bedrängnis geraten, rief Massalia die
Römer zu Hilfe und eröffnete so das
Zeitalter der römischen Besetzung in
der Provence. Nichtsdestotrotz waren
es die Griechen, die diesem Land-
strich einen Großteil seiner Kultur
brachten. Sie gründeten Städte, legten
Handelswege an, ersetzten den
Tauschhandel durch Geldhandel,
brachten dem Land den (beschnitte-
nen) Rebstock und den Olivenbaum
(man stelle sich die provenzalische
Küche ohne Wein und Olivenöl vor!)
und verbreiteten schließlich das grie-
chische Alphabet und das griechisch-
humanistische Denken. Die Hellenisie-
rung hatte freilich auch ihre Schatten-
seiten: Im ersten Jahrhundert v. Chr.
war das Oppidum de la Cloche (etwa
Search WWH ::




Custom Search