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Die blutige Woche
von 1545
Mitte des 15. Jh. war das heute so satt und
lieblich daliegende Land nichts als gebrann-
te Erde. Der Schwarze Tod hatte gewütet,
plündernde Söldnerheere hatten den Rest
besorgt - Menschen auf der Flucht, ver-
ödetes Land. Wer sollte es wieder zu neu-
em Leben erwecken? In den Alpen, im
Dauphiné, im Briançonnais, im Piemont,
wo das Leben hart ist und es zu wenig
fruchtbare Erde gibt, fanden die Landher-
ren solide, arbeitsame Waldenser-Bauern,
die sich schon bald gut im Luberon einbür-
gerten. Ihre Religion übten sie unauffällig
aus, wussten sie doch nur zu gut, dass die
Verfolgungen ihrer Brüder bereits begon-
nen hatten. Die Barbes, ihre Priester, hiel-
ten den Gottesdienst ganz privat im Hause
eines der Ihren ab. Einzig folgende Haltun-
gen konnten einen Nicht-Waldenser auf-
horchen lassen: Sie weigerten sich zu
schwören, zu lügen und die Jungfrau Maria
anzubeten, glaubten genauso wenig an
Hierarchie und leere Tradition wie an den
Sinn von Ablasszahlungen oder das Fege-
feuer.
Modern, mag man meinen, in jedem Fall
aber bei weitem zu modern für die Inquisi-
tion. Im Rahmen einer systematischen Ket-
zerverfolgung wurde 1530 der Inquisitor
Jean de Roma in Apt eingesetzt. Er besie-
gelte das Schicksal der Waldenser. Neben
ihm hatte auch der Baron von Oppède gro-
ßen Einfluss kraft seiner Amtswürde als Prä-
sident des Parlaments von Aix. Letzteres er-
ließ 1540 im „Arrêt de Mérindol“, die Wal-
denser-Ketzer auf dem Scheiterhaufen zu
verbrennen, ihre Familien zu verbannen
und ihre Güter zu beschlagnahmen. Doch
erst 1545 konnte dem alternden König
Franz I. die dafür notwendige Unterschrift
entrissen werden, woraufhin der Baron von
Oppède umgehend Truppen versammelte
und am 16. April 1545 die Strafexpedition
begann, die mit einem gnadenlosen Blut-
bad und dem Ende der Waldenser im Lu-
beron endete.
Im Jahre 1545 wurden elf Waldenser-Dör-
fer rund um das Luberongebirge innerhalb
von nur sechs Tagen „hingerichtet“: Im
Pays d'Aigues waren dies Cabrières, La
Motte, Peypin, St-Martin-de-la-Brasque, un-
weit davon Villelaure und Lourmarin, auf
der anderen Seite der Durance La Roque
d'Anthéron, südlich des Kleinen Luberon
Mérindol, schließlich Lacoste und im Nor-
den Cabrières d'Avignon und Murs. Dort,
in den nahe gelegenen Grotten von Bari-
goule, verbrannten etwa 20 Frauen, Greise
und Kinder bei lebendigem Leibe. Mehre-
re hundert Waldenser kamen in diesen Ta-
gen auf ähnlich grausame Weise um. Über-
lebende fanden sich auf den Galeeren von
Marseille wieder.
Die Waldenser - doch so wurden sie
nur von ihren Verfolgern genannt - waren
ursprünglich Anhänger eines reichen Kauf-
manns aus Lyon, eines gewissen Valdes. Er-
griffen vom Armutspostulat des Matthäus-
evangeliums, verkaufte dieser um 1170 all
sein Hab und Gut an die Armen und mach-
te sich auf, nach seiner Façon das Evangeli-
um zu verkünden. Seine Anhänger nannten
sich denn auch die Armen von Lyon und
lebten als Laienbruderschaften zusammen.
Ihr allzu ungezwungener Umgang mit der
Verkündigung des Evangeliums wurde den
Waldensern jedoch bald zum Verhängnis:
Papst Lucius III. verurteilte 1184 ihre Praxis
der Laienpredigt, exkommunizierte Valdes
und seine Brüder und konnte sogar Kaiser
Friedrich Barbarossa für einen Kreuzzug ge-
gen sie und andere religiöse Gruppen ge-
winnen. Aus Lyon vertrieben, breiteten sich
die Waldenser weit in Europa aus.
Der Grund für die Ansiedlung von Wal-
densern im Luberon-Bergland ist nicht we-
niger traurig als ihre eigene Tragödie: In der
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