Travel Reference
In-Depth Information
trieben - und in Roquepertuse fanden
sich tatsächlich Bestätigungen dafür.
Aufschlussreich ist vor allem ein soge-
nannter Portikus mit eingelassenen
Schädelnischen, der wahrscheinlich
von einem ebenfalls aufgefundenen
steinernen Totenvogel gekrönt war.
Die Funde sind größtenteils in Marseil-
le zu bewundern.
In Les Milles, einem wenig anzie-
henden Vorort von Aix, stellt die alte
Fabrik am Ortsausgang heute wie eh
und je Ziegel her. Von außen erinnern
nur ein alter Bahnwaggon und eine
unscheinbare Tafel daran, dass die Zie-
gelei im Zweiten Weltkrieg ein Kon-
zentrationslager war. 1939/40 inter-
nierten die französischen Behörden
hier viele Deutsche und Österreicher,
die vor den Nazis geflohen waren, als
sogenannte „feindliche Ausländer“,
unter ihnen Künstler und Intellektuelle
wie Max Ernst, Lion Feuchtwanger, Go-
lo Mann oder Alfred Kantorowicz.
Feuchtwanger erinnert sich in sei-
nem Buch „Der Teufel in Frankreich“
an diese Zeit: „In einem Ziegelbau wa-
ren wir untergebracht, und die Ziegel
waren das Merkmal dieser Zeit. Zie-
gelmauern, durch Stacheldraht gesi-
chert, schlossen unsere Höfe von der
schönen, grünen Landschaft draußen
ab, zerbröckelnde Ziegel waren über-
all gestapelt, sie dienten uns als Sitze
und als Tische, auch dazu, das Strohla-
ger des einen von dem des anderen
abzutrennen. Ziegelstaub füllte unsre
Lungen, entzündete unsre Augen.“
In dieser frühen Phase des Lagers
hatten die Internierten immerhin noch
die Chance auf Entlassung oder Flucht.
Vor allem dem Amerikaner Varian Fry
vom Emergency Rescue Committee
kommt der Verdienst zu, viele bedeu-
tende deutschsprachige Intellektuelle
über Marseille aus Frankreich gerettet
zu haben. Der Schriftsteller Walter Ha-
senclever beging jedoch 1940 in Les
Milles Selbstmord, weil er, als die deut-
schen Truppen näher rückten, Angst
vor der Deportation hatte. Diese war
keineswegs unbegründet, entwickelte
sich die Ziegelei doch im August und
September 1942 unter dem Vichy-
Regime zu einem Zentrum der De-
portation. Fast 2000 jüdische Män-
ner, Frauen und Kinder wurden von
dort über Drancy in die Todeslager im
Osten gebracht, auch nach Auschwitz.
An diese traurige Vergangenheit Les
Milles' erinnerte lange Zeit nur ein
Bahnwaggon; die Ziegelei war für Be-
sucher nicht zugänglich. Seit 2002
kann nun der frühere Speisesaal der
Lagerwachen besichtigt werden, in
dem sich Wandmalereien internierter
Künstler befinden. Von wem genau
die modernen Gemälde stammen, ist
unter Kunsthistorikern umstritten, viel-
leicht sind es auch Gemeinschaftswer-
ke. Jedenfalls erzählen sie vom Hun-
ger und den entbehrungsreichen Um-
ständen der Internierung und geben
der Hoffnung auf Frieden Ausdruck.
Site Mémorial des Milles, 2, Rue Adrien
Duberc, 13290 Les Milles, Öffnungszeiten
der Gedenkstätte: Mo-Fr 9-12 und 12.45-
17 Uhr. Der zuständige Verein öffnet auf An-
frage auch den Eisenbahnwaggon, in dem ei-
ne kleine Ausstellung zur Deportation unter-
gebracht ist, Tel. 04.42.24.34.68. Im Anhang
dieses Buches finden sich mehrere Lesetipps
zu den Themen Les Milles und Exilliteratur.
Search WWH ::




Custom Search