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Zeit der Flüchtlinge
Im 20. Jh., dem Zeitalter der Kriege,
kehrte Marseille an den Ursprung sei-
ner Geschichte zurück. Wieder kamen
Flüchtlinge übers Meer: Armenier, Ita-
liener, Türken, Araber, schließlich,
nach dem Algerienkrieg, Maghrebi-
ner, dann Vietnamesen. So entstand
Belsunce, der Unterschlupf der Ge-
strandeten.
So entstanden aber auch, allzuoft
vergessen, Wohnviertel wie Beau-
mont, wo die Neuankömmlinge nach
Feierabend in unermüdlicher Kleinar-
beit ihre Häuser errichteten. Viele, die
hier wohnen, sind längst nicht mehr
Hafenarbeiter, sondern Anwälte oder
Ärzte. Und manche, die hier wohnen,
sind schon längst für eine radikale „Lö-
sung“ des Ausländerproblems. Nicht
umsonst sagt man in Marseille: Wer
als Letzter kommt, schließt die Türe.
Eine Wahrheit, die sich in den Wahl-
ergebnissen widerspiegelt. Le Pens
rechtsradikaler Front National ver-
bucht regelmäßig Erfolge in Marseille,
aber mitunter weniger in gutbürgerli-
chen Vierteln als dort, wo Ausländer
der zweiten oder dritten Generation
leben. Die Verteilungskämpfe der Zu-
kunft sind also in Marseille schon voll
entbrannt: Arme gegen noch Ärmere,
ehemals Arme gegen neue Arme.
Aber auch beim Miteinander der
Religionen ist Marseille seiner Zeit vo-
raus: Heute schon sind von rund
840.000 Einwohnern geschätzt
180.000 muslimisch. An dieser Zahl
 
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