Travel Reference
In-Depth Information
zwischen der Quelle und dem Vertei-
ler in Nemausus betrug ganze 17 Me-
ter. Das ergibt ein Gefälle von 34 Zen-
timetern pro Kilometer - und schon
das erste Rätsel: Wie berechneten die
Ingenieure diese überaus geringe Nei-
gung, vor allem aber, wie setzten sie
sie so exakt um? Zudem musste die
Neigung in Kurvenstücken regelmäßig
geringer sein als auf Geraden - bei ei-
ner geschätzten Kapazität von 20.000
Kubikmetern täglich wäre sonst der
Druck zu hoch geworden.
Nicht alle Hindernisse ließen sich
einfach umgehen. So durchbohrten
die Römer einige Hügel mit Tunneln,
und so überwanden sie Täler mit
Aquädukten. Das Tal des Gard ist
recht breit, der Pont du Gard deshalb
275 m lang. Fast unnötig zu sagen,
dass er damit den größten römischen
Aquädukt überhaupt darstellt.
So weit die technische Erklärung.
Nun haben wir es aber offensichtlich
nicht mit einem nüchternen Zweck-
bau zu tun, mehr mit einem Denkmal,
dessen ästhetische Meisterschaft der
technischen in nichts nachsteht. Drei
Reihen mit Bögen bilden die gewalti-
ge Brücke, sechs unten, elf in der Mit-
te, 35 oben. Die Bögen der beiden un-
teren Reihen sind verschieden breit,
und zwar von der Mitte aus abneh-
mend. Erst dieser architektonische
Kunstgriff schafft den Eindruck un-
vergleichlicher Harmonie der Propor-
tionen.
Der Pont du Gard ist nicht zu verste-
hen ohne seinen politischen Aspekt.
In einem unterworfenen Land doku-
mentierte er die Schöpfungskraft einer
überlegenen Zivilisation, so kraftvoll,
so gewaltig trat er den Menschen ent-
gegen, gleichzeitig unbestreitbar in
seinem Nutzen wie kühn im Entwurf.
Man datiert den Pont du Gard auf
die augustäische Zeit. In Betrieb muss
er, berücksichtigt man die gefundenen
Kalkablagerungen, mehrere Jahrhun-
derte lang gewesen sein; die Stillle-
gung könnte mit Germaneneinfällen
zusammenhängen.
Jedenfalls gab es in Nîmes im 19. Jh.,
einer Zeit raschen Wachstums, ernst-
hafte Überlegungen, den Pont-du-
Gard wieder als Wasserleitung einzu-
setzen - im nördlichen Hang sind
noch Tunnel zu erkennen, die von den
Vorarbeiten zeugen. Im Mittelalter leg-
te man an der unteren Bogenreihe die
schmale Straße an, die man heute
noch in der Nebensaison mit dem Au-
to befahren kann.
Der beste Blick auf das Aquädukt
bietet sich von den angrenzenden
Hängen aus. Schwindelfreie konnten
bis vor Kurzem auch durch die etwa
1,80 m hohe Wasserleitung von einer
Seite zur anderen gehen. Aus Sicher-
heitsgründen ist das inzwischen ver-
boten worden. Doch auch vom Rand
aus lassen sich sehr interessante De-
tails erkennen. Die Wasserleitung ist
zum größten Teil bedeckt, damit das
Frischwasser vor Verunreinigung ge-
schützt blieb. Das ganze Bauwerk
weist zudem eine leichte Krümmung
auf. Die Architekten schützten ihr
Werk damit vor zu großem Druck des
Flusses, der nach der Schneeschmelze
in den Cevennen gewaltig anschwel-
len kann.
Search WWH ::




Custom Search