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Denim -
Jeans aus Nîmes
kleideten die Figuren ihrer Weihnachtskrip-
pen. Sogar als Segel oder Planen waren
diese stabilen Stoffe aus Baumwolle, Wolle
oder auch Hanf zu gebrauchen.
Indem es Wolle aus den Cevennen
verarbeitete, entwickelte sich Nîmes schnell
zum Spezialisten auch für „kleine“, also bil-
lige Stoffe. Die Besonderheit des Denim
lag in der sehr robusten Knüpfung des
Garns. Die Herstellung verbilligte sich
durch die blaue Färbung, denn dafür muss-
ten nur die Farbbäder der teuren Stoffe auf-
gefrischt werden. Über Genua entstanden
bald Handelsverbindungen bis in die USA.
Dies wiederum erleichterte den Import von
Baumwolle und Indigo. Die Bezeichnung
„Nims“ tauchte auch bei Stoffen auf, die
gar nicht in Nîmes hergestellt waren -
möglicherweise, weil die Aufhebung des
Ediktes von Nantes protestantische Textil-
händler zum Verlassen der Stadt gezwun-
gen hatte.
Die Stoffe jedenfalls, aus denen Levi
Strauss die erste Jeans schneiderte, waren
gar nicht für Kleidung bestimmt gewesen.
Doch die Männer, die im Westen der USA
Eisenbahn-Linien bauten oder Farmen
gründeten, die nach Gold schürften oder in
Gruben schufteten, schätzten die unver-
wüstliche Qualität. 1873 kamen die Nieten
dazu, 1897 die Messingknöpfe. Allmählich
wurden Jeans in größerer Zahl produziert,
und natürlich blieb es nicht bei der „501“
von Levi's. 1911 begann auch Henry David
Lee, gut 20 Jahre nach der Gründung sei-
ner Firma, mit dem Verkauf von Jeans im
mittleren Westen. Levi's hielt den Süden,
während sich im Norden Wrangler etab-
lierte.
Für die Jugendlichen Westeuropas, die
von Amerika nur das Kino kannten, verkör-
perte die Jeans ein neues Lebensgefühl.
Getragen von James Dean, Marlon Brando
und Elvis Presley, verklärte sie sich zum My-
thos. Dass sie auch den Protest gegen das
„Establishment“ symbolisierte, ist die Ironie
dieser Geschichte. Denn am Anfang der
Jeans stehen jene strengen protestanti-
schen Händler, deren bourgeoises Wohlle-
ben im Musée du Vieux Nîmes so schön
dokumentiert ist.
Es war gegen Mitte des 19. Jahrhunderts,
als einem Textilfabrikanten in den Vereinig-
ten Staaten die Stoffvorräte ausgingen. Das
braune Tuch, aus dem seine Angestellten
robuste Arbeitskleider fertigten, war bis auf
den letzten Meter aufgebraucht. Glückli-
cherweise hatte der Mann Brüder in New
York, und die wussten Rat. Nîmes, diese
kleine Stadt in Europa, die schon lange ex-
klusiv nach New York lieferte, hatte einen
preiswerten und widerstandsfähigen Stoff
im Angebot, allerdings in blauer Farbe. Der
Fabrikant hieß Levi Strauss, das Tuch hieß,
schlicht nach seiner Herkunft, Denim (de
Nîmes), aus Nîmes.
Und es war gegen Mitte des 20. Jh., als
in einer schäbigen Lagerhalle irgendwo im
Westen Europas Menschen in großen Bal-
len abgetragener Kleidung wühlten. Da-
zwischen drängelten sich auch ein paar
Halbwüchsige, die genau wussten, was sie
suchten: diese robusten, blauen Arbeits-
hosen, die neuerdings so oft im Kino zu se-
hen waren. Mit Second-Hand-Kleidern aus
den USA, importiert im Zuge des Marshall-
plans, kamen sie nach Europa, und die Eu-
ropäer verklärten, was sie selbst entwickelt
hatten, zum Symbol des American Way of
Life.
So ähnlich hat sie sich wohl zugetragen,
die Geschichte der Jeans. Details liegen im
Dunkeln, nicht zuletzt, seit 1906 die Ar-
chive der Firma Levi Strauss in San Fran-
cisco in Flammen aufgingen. Und in die Ar-
chive und Museen von Nîmes war die
Jeans ohnehin nie so recht eingegangen.
Schließlich hatte man ja feinere Stoffe pro-
duziert als diese billige Arbeitskleidung, die
gegen Ruß, Fett und Staub schützte.
Dabei ist das bleu populaire , der volks-
tümliche blaue Stoff, eine alte Tradition.
Schon gegen Ende des 17. Jh. trieben Kauf-
leute aus Nîmes und auch Genua damit
Handel. Die Bauern der Cevennen und
Liguriens gingen in blauem Stoff aufs Feld,
sie richteten ihre Häuser damit ein und
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