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Ein paar Schritte weiter aufwärts lie-
gen das antike und das moderne
Nîmes einander gegenüber - in Ge-
stalt der Maison Carré und des Carré
d'Art. Der römische Tempel spiegelt
sich in der gläsernen Fassade des Kul-
turzentrums, dessen Architektur mit
ihren Säulen sich am antiken Monu-
ment orientiert. Hier, an der Maison
Carré, lag der Mittelpunkt des antiken
Nemausus, hier kreuzte der Decuma-
nus, jene die Via Domitia in die Stadt
verlängernde Hauptstraße, in rechtem
Winkel den Cardo, und an beider
Schnittpunkt lag das Forum. Es ist dies
das Prinzip römischer Stadtanlagen,
das schon in den Heerlagern galt. Mit
dem Carré d'Art hat dieser Platz ein
wenig seine alte Bedeutung wiederer-
langt.
Es lohnt sich, die wenigen Stufen
hinunterzusteigen und die Maison
Carré vom Niveau des einstigen Fo-
rums zu betrachten, aus antikem Blick-
winkel. Die Perspektive wird zurecht-
gerückt, das in den Abmessungen
zierliche Bauwerk enthüllt seine wahre
Dimension, die Absicht seiner Erbauer
tritt zutage: In ihrer erhöhten, dem All-
tagsgeschehen entrückten Position
und ihrer klassizistischen Architektur
verkörpert die Maison Carré römische
Größe, ja Überlegenheit. Betont wird
dies auch durch die Säulen an den
Längsseiten, die mit der Wand zusam-
menfallen und nicht, wie etwa beim
griechischen Tempel, freien Zutritt er-
lauben. Nur an der Vorderseite führt
eine Treppe auf den nahezu drei Me-
ter hohen Sockel hinauf. An den drei
übrigen Seiten war der Tempel ur-
sie der Stadt eine Mehrzweckhalle, 7000
Menschen fassend, beheizbar und von un-
vergleichlichem Ambiente. Weil sie indes-
sen zum Fußball- und Rugbystadion wenig
taugt, enstand ebenfalls 1989 das Stade
des Costières von Vittorio Gregotti und
Marc Chausse. Verglichen mit dem Projekt
des Carré d'Art waren dies freilich nur
Übungen: Mitten in der Stadt, am alten Fo-
rum Romanum, ersetzte ein Kulturzentrum
nach Vorbild des Pariser Beaubourg die
den Nîmoisern heiligen Ruinen des Thea-
ters. Die Proteste gegen Bousquets Bauwut
erreichten ihren Höhepunkt, als die eh-
renwerten Mitglieder der 1682 gegrün-
deten Académie de Nîmes im Jardin de la
Fontaine zusammenkamen, um Nemausus
um Beistand für die bedrohten Kolonnaden
zu bitten.
Star-Architekt Sir Norman Foster blieb
auch nach diesen Querelen in Nîmes tätig
und änderte etwa die missliche Verkehrsla-
ge im Süden der Stadt, unter anderem
durch die Verlängerung des Boulevard
Jean Jaurès. Hier entstanden neue Ge-
werbegebiete und der Parc Scientifique et
Technique Georges Besse, der Produktion
und industrielle Forschung vereinen soll.
Und dann ist da noch Nemausus. Das
Ding liegt, einem gestrandeten Ozean-
riesen nicht unähnlich, im Süden der Stadt
und vermittelt dort eine „neue Perspektive
des Wohnens“: Sozialer Wohnungsbau,
wenn nicht schön, so doch eigenwillig.
Zum Bauen kam das Umbauen, Reno-
vieren, Restaurieren und Sanieren. Die Alt-
stadt ist heute eine einladende Fußgänger-
und Einkaufszone mit altem Flair. Illot Lit-
tré, das Färberviertel, hat wieder eine Zu-
kunft. Eine Reihe alter Gebäude wurden
vom Innenarchitekten Jean-Pierre Wilmotte
umgestaltet. Das Rathaus, die Oper, das
Musée des Beaux-Arts und die Hallen tra-
gen nun seine Handschrift: Moderne Ak-
zente, mit dem Alten kontrastierend und
diesem doch den Vorrang lassend.
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