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Politik und
Architektur -
die Karriere des
Jean Bousquet
quet
ein autoritärer, kommunikationsun-
fähiger Kapitalisten-Prototyp wäre, nun gut,
aber daran hat es nicht gelegen. Auch dass
mit dem immer brillanteren Stadtbild eine
ebensolche Verschuldung einherging, war
zu verschmerzen. Nein, den Niedergang
des
Jean Bousquet
hatte, wen wundert's,
ein Bauvorhaben eingeläutet. Der Schwä-
che französischer Politiker für kostspielige
Landsitze nachgebend, waltete auch Bous-
quet als Schlossherr. Da gab es natürlich
immer etwas zu reparieren: Wasserleitun-
gen etwa, oder die repräsentative Zufahrt.
Und wo ohnehin so viele Bauarbeiter in der
Stadt waren, da soll Bousquet, so Zeugen,
ein paar für seine Zwecke abgezweigt ha-
ben. Das affärengeplagte Frankreich ver-
nahm zu diesem und einer Reihe weiterer
Vorwürfe die originellste aller bisheriger
Ausreden: Mein Vermögen, bedeutete
Bousquet
Journalisten, stellt mich über alle
Versuchungen.
Die Wähler mögen sich da eines frü-
heren Versprechens entsonnen haben: Die
Stadt werde nun profitabel wie ein Un-
ternehmen geführt. Vorsicht, so folgerten
sie ganz im Sinne des neuen kommunisti-
schen Bürgermeisters, wenn ein Unter-
nehmer von Profit redet.
Was bleibt von
Bousquet?
Immerhin eini-
ge Denkmäler.
Philippe Starck
etwa durfte
sich an der wenig aufregenden
Avenue
Carnot
versuchen. Dort pflanzte er eine
Palme, an der sich in der abstrahierten Linie
eines Krokodils kleine Würfel aus dunklem
Marmor entlangschlängeln. Dieses Ensem-
ble, eine „Interpretation“ des Stadtwap-
pens, wird von einer marmornen Über-
dachung gekrönt - die teuerste Bushalte-
stelle der Stadt.
Starcks
Idee war auch der
Krokodilsbrunnen
auf der Place du Mar-
ché, den, ebenso wie den
Nemausus-
Brunnen
auf der Place d'Assas,
Martial
Raysse
verwirklichte.
Die kühne Überdachung der
Arena
blieb demgegenüber geradezu sparsam:
Für umgerechnet 2,25 Mio. Euro bescherte
Ein Milliardär, der bestechlich ist? Ein Witz,
sagte
Jean Bousquet,
Generaldirektor und
Hauptaktionär von Cacharel sowie Bürger-
meister von Nîmes. Kein Witz, sagten die
Wähler. Und wählten ihn ab, den Krösus,
der nicht korrupt sein wollte, dem aber viel-
leicht ein paar Dinge durcheinandergera-
ten waren: Dass man Generaldirektor einer
Firma sein kann und ihr Eigentümer. Aber
nicht Bürgermeister einer Stadt und ihr Be-
sitzer.
Als sich 1983 die Geschicke des über al-
le Maßen erfolgreichen Geschäftsmannes
und seiner über alle Maßen verschlafenen
Heimatstadt verbanden, da begann eines
der bizarrsten Kapitel französischer Pro-
vinzgeschichte.
Philippe Starck, Jean Nou-
vel,
Sir
Norman Foster
und weitere Edelbau-
meister eilten herbei, Brunnen, Plätze, Stra-
ßen, Wohnungen, Museen und Gewerbe-
gebiete zu bauen. In groß angelegten
Kampagnen rief
Bousquet
eine
révolution
permanente
aus. Nicht umsonst hatte
Fran-
çois Mitterand
im fernen Paris vorexerziert,
wie man sich mit Marmor und Stein in der
Geschichte verewigt. Nîmes, das außer
Bousquet
nur einen römischen Kaiser her-
vorgebracht hatte und später die Jeans, war
begeistert, die Wiederwahl 1988 eine For-
malität. Zweifellos, so kommentierten die
Nîmoiser in einer Umfrage, sei
Bousquet
größenwahnsinnig, aber zweifellos sei
Größenwahn auch genau das richtige für
ihre Stadt.
1995 aber nahm die „permanente Re-
volution“ ein jähes Ende.
Bousquet
und die
Moderne, sie scheiterten an der Wahlurne.
Es siegte - ein Kommunist. Dass
Jean Bous-