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Das Jahrhundert der Päpste:
Pomp in der Kurie -
Pest und Plünderungen im Volk
Das „dramatische 14. Jahrhundert“ ( „Der
ferne Spiegel“, Barbara Tuchman )brachte
in Avignon für die einen unermesslichen
Reichtum, für die anderen unerträgliches
Leid mit sich. Das Volk litt unter Pest, Hun-
ger und den brutalen Plünderungen um-
herstreifender Söldnerheere aus dem Hun-
dertjährigen Krieg. Prassen und prunken
konnten nur wenige, nämlich die Päpste,
die mit ihrer Kurie für ein knappes Jahrhun-
dert von Rom nach Avignon zogen. Sün-
denbabel, „Sodom der Legaten“ und „Go-
morrha der Kardinäle“ schimpfte es der
französische Historiker Michelet später.
Ganz plötzlich war aus der bescheidenen
Stadt an der Rhône, die in der Antike stets
im Schatten ihrer Nachbarn gestanden hat-
te, der Nabel der Welt geworden.
Was nur bewog die Oberhirten der Chris-
tenheit zum Weggang aus der Ewigen
Stadt? Und warum wählten sie ausgerech-
net Avignon zu ihrer Residenz?
Zunächst einmal die Vorgeschichte: Der
machthungrige Papst Bonifatius VIII.
(1294-1303) hatte 1302 in der berühmten
Bulle „Unam Sanctam“ in schroffster Form
den päpstlichen Weltherrschaftsanspruch
formuliert und damit unweigerlich den
Konflikt mit dem französischen König Phi-
lipp dem Schönen heraufbeschworen. Der
hatte Bonifatius daraufhin 1303 von seinem
Kanzler Nogaret in Anagni überfallen und
festnehmen lassen. Kurz nach seiner Befrei-
ung starb der Papst - wahrscheinlich an
den Folgen.
Sein Nachfolger Benedikt XI., wegen
Guerilla-Kriegen unter den herrschenden
römischen Familien nach Perugia entflo-
hen, hatte während seiner kurzen Amtszeit
(1303-04) das Problem nicht lösen kön-
nen. Und so war das Konklave in Perugia
(1305), das nach seinem Tod den nächsten
Papst zu wählen hatte, unerbittlich in zwei
Lager gespalten: Pro oder contra die Lehre
des Bonifatius. Keinem der anwesenden
Kardinäle gelang es, eine Zweidrittel-Mehr-
heit auf sich zu vereinen. Philipp der Schön e
nutzte diese Situation aus und drückte sei-
nen Kandidaten durch: In Abwesenheit
wurde Bertrand de Got, Bischof von Bor-
deaux und treuer Untertan Philipps, zum
Papst Clemens V. (1305-14) gewählt.
Unter den Augen des Königs erfolgte die
feierliche Krönung in Lyon, also auf franzö-
sischem Boden. Clemens beschloss, in
Frankreich zu bleiben, um sich den Ausein-
andersetzungen unter den großen Familien
Italiens zu entziehen und auf das wichtige
Konzil in Vienne zu warten (1311/12), wel-
ches das drängende Problem um den
Templerorden lösen sollte.
1309 kam er in Avignon an, das aus ver-
schiedenen Gründen seinen Bedürfnissen
entsprach: Zunächst gehörte die Stadt seit
1290 dem Grafen der Provence, Karl II. von
Anjou, der als König von Neapel ein treuer
Vasall der Kirche war und von dem der
Papst im Zweifelsfall Schutz erwartete.
Außerdem war sie verkehrstechnisch sehr
günstig am Zusammenfluss von Rhône und
Durance gelegen. Schließlich war die Graf-
schaft Venaissin, deren Länder an die Stadt
grenzten, beim Ausgang der Katharerkrie-
ge 1229 den Päpsten zugefallen.
Clemens V. führte ein ausgesprochenes
Wanderleben, hielt sich oft in Carpentras
und Malaucène auf und betrachtete Avi-
gnon, wo er meist im Dominikanerkloster
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