Travel Reference
In-Depth Information
ode ein - oft mit einem großen Früh-
jahrsputz; sie währt traditionsgemäß
bis zum Sankt-Michaels-Tag am 29.
September.
der provenzalischen Mentalität. Ein
anderes Beispiel: Die Trennung der
Räume für Mann und Frau. Der Platz
ist in dieser Tradition fast ganz dem
Mann vorbehalten, und zwar nicht nur
in der Freizeit. Das ganze wirtschaftli-
che und politische Geschehen eines
Dorfes spielte sich hier ab. Auf dem
Platz informierte man sich über Preise
für landwirtschaftliche Erzeugnisse
oder über die neuesten technischen
Errungenschaften, hier fanden die
Märkte statt, hier destillierte man sei-
nen Lavendel, versammelte sich aber
auch, um politische Entscheidungen
zu treffen und zu diskutieren.
Am Platz liegen schließlich die Ver-
sammlungsorte der Männer, allen vo-
ran das Café, dann chambreto und
cercle. Letztere bezeichnen sowohl ei-
nen Verein als auch seinen Ver-
sammlungsort, der einem Café ähnelt.
chambreto, mehr bäuerlich-populär,
und cercle, eher bürgerlich und poli-
tisch, entstanden im 19. Jh.; es schlos-
sen sich in ihnen ausnahmslos einhei-
mische Männer zusammen, die für
würdig befunden worden waren und
sich gewissen Einschränkungen unter-
warfen: gegenseitige Hilfe in Wort und
Tat, korrekte Lebensweise. Gleichwohl
erschienen chambreto und cercle
durchreisenden Fremden nicht selten
als Horte von Ausschweifung von Faul-
heit. Verwaltet wurden sie meist von
einem gewählten Rat. Sie dokumentie-
ren damit eine gewisse Vorliebe für al-
les Politische, die sich auch in einer
traditionell hohen Wahlbeteilung oder
der Begeisterung für öffentliche Zere-
monien spiegelt. Selbst die Straßen-
Leben im
provenzalischen Dorf
Die Eigenarten in der Bauweise sind
vielfach Ausdruck provenzalischer
Mentalität. So spiegelt die Enge der
dicht aneinander stehenden Häuser
und die Gliederung des Dorfes in Vier-
tel ein ausgesprochenes Kirchturm-
denken. Wenngleich es eine proven-
zalische Identität, ein Zusammenge-
hörigkeitsgefühl gibt, so ist der Pro-
venzale zunächst doch immer Be-
wohner nicht nur seines Landstriches,
sondern seines Dorfes. Dieser eigen-
artige Lokalpatriotismus begegnet ei-
nem etwa in den Alpilles, einer doch
recht kleinen landschaftlichen Einheit,
wie man glauben könnte, innerhalb
derer aber mitunter schon die Bewoh-
ner des Nachbardorfes als „ganz an-
derer Menschenschlag“ beschrieben
werden. Der Fremde stößt auf unsicht-
bare Grenzen. Danach befragt, ma-
chen sich junge, weit gereiste Pro-
venzalen dann plötzlich bewusst, dass
auch sie sich, einer ganz selbstver-
ständlichen Tradition folgend, etwa
nur zu den nördlichen, nicht aber zu
den südlichen Nachbarorten hin ori-
entiert haben. Es verwundert daher
nicht, dass viele Dörfer der Provence
sogar über ein eigenes Wappen ver-
fügen.
Die innere Aufteilung und Anlage
des Dorfes ist so ein beredtes Zeugnis
Search WWH ::




Custom Search