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Zustand des damaligen Europa: Seit
dem ausgehenden 10. Jh. hatte es sich
zwar politisch regeneriert, doch an
Nationalstaaten war noch lange nicht
zu denken. Könige und Ritter vertrie-
ben sich ihre Zeit mit „heiligen Krie-
gen“ und Kreuzzügen, Papst Gregor
reformierte die Kirche, und die Klöster
erneuerten ihre eigene Organisation;
der monastischen Reform folgte die
Blüte auf dem Fuße.
Mit diesem äußeren Rahmen ver-
band sich der Feudalismus, ein Sys-
tem, welches das Leben sozial, militä-
risch und verwaltungstechnisch ordne-
te. Viel mehr noch als dieses war es
das Christentum, das alles durch-
drang. Abbild der Allgewalt Gottes
war im Weltbild des romanischen
Menschen der Kaiser. Selbst die Pro-
vence gehörte nominell zum Deut-
schen Reich, oberster Lehnsherr war
der Kaiser. Doch nicht nur dieser hatte
göttliche Züge, sondern Gott hatte
umgekehrt auch mittelalterlich-monar-
chische Eigenschaften. Georges Duby
spricht von einem feudalen Gottes-
bild (vgl. dazu die Richterszene des
Portals von St-Trophime im Kapitel
„Arles“). Die zwei gegensätzlichen
und sich oft bekämpfenden Prinzipien
trafen sogar so eng zusammen, dass
auch die monumentalen Kirchen und
Klöster den Ritterburgen sehr ähnlich
wurden: Die „Gottesburgen“ als Aus-
druck der Konkurrenz zwischen Kir-
che und Weltlichkeit einerseits, der
Durchdringung der Kirche durch den
Feudalismus andererseits.
Von den zahlreichen Burgen und
Schlössern, welche die Anhöhen der
Provence in der romanischen Zeit
schmückten, ist viel weniger erhalten
als von den Sakralbauten, ganz ein-
fach, weil sie öfter zerstört und über-
baut wurden. Zum Beispiel reichen
Reste des Château de l'Emperi in Sa-
lon ins 12. Jh. zurück, die Burgruine
von Vaison stammt aus dieser Zeit wie
auch die von St. Maime in der Hoch-
provence. Die gesamte Stadtanlage
von Aigues-Mortes ist typisch für den
damaligen Wehrbau. Auch einige we-
nige Bürgerhäuser sind auf uns ge-
kommen wie in St-Gilles (Loge des
Génois), Avignon (Vice-Gérance) und
Arles (Palais des Podestats).
Übersät hingegen ist die Provence
mit Kirchen, Kapellen, Klöstern und
Kreuzgängen. Sie alle tragen das Ge-
sicht Roms, jedoch eines, urteilt Duby,
„das sich von all dem beleben ließ,
was Rom in diesem Teil des Abendlan-
des derzeit noch an Modernität besit-
zen konnte“. Sehr deutlich wird das
Vorbild am Aufbau der Portale von St-
Gilles, St-Gabriel und St-Trophime
(Arles). Und in dem von Notre-Dame-
des-Doms in Avignon sind die klassi-
schen Proportionen derart nachemp-
funden, dass Stendhal ihn gar für den
Rest eines antiken Tempels hielt. Eben-
so mühelos herleiten lässt sich der
sehr einfache romanische Raumtyp
von dem tonnengewölbten Saal anti-
ker Profanbauten. Grundplan für Kir-
chen und Kapellen in der Provence
war ein einziges Schiff mit meist halb-
runder Apsis (Avignon, Notre-Dame-
de-Salagon, Ganagobie, Montmajour,
Stes-Maries, Cavaillon, Digne). Es
kommen jedoch auch dreischiffige
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