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Tourismus
überhaupt Skurrilitäten die Wege des
Peter Mayle pflastern - vom Eselsren-
nen in Bonnieux bis zu jenem Mann,
der seinen Kröten das Musizieren bei-
bringt.
Und stimmt es denn etwa nicht?
Sind sie denn nicht wirklich alle Gour-
mets und Bonvivants, Traditionalisten
aus Prinzip, im Einklang mit sich und
ihrer Heimat und dem ganzen Leben?
Muss man sich denn nicht den Proven-
zalen als einen glücklichen Menschen
vorstellen?
Vielleicht darf man von einem sol-
chen Buch nicht erwarten, dass es in
den Gassen von Marseille erkundet,
was soziale Realität des Gastlandes ist,
dass es Sozialwohnungen am Dorf-
rand zur Kenntnis nimmt und Umwelt-
zerstörung. Nein, die Kunst des selek-
tiven Blicks hat etwas für sich, und
wenn schon die Provenzalen nicht alle
glücklich sind, so ist es jedenfalls der
Leser. Vielleicht befremdet ihn, so er
Land und Leute kennt, die penetrante
Attitüde, Nachbarn und Bekannte als
eine Art von schützenswerten Einge-
borenen wahrzunehmen, vielleicht
hält er das aber auch mit dem Verlag
für „typisch britischen Humor“.
Bemerkenswerter als das Buch
selbst sind seine touristischen Folgen.
Denn die Leser wollten nicht Leser
bleiben. Sie verlangten nach eigenem
Erleben, aber bitte exakt nach Be-
schreibung; nach eigenen Menüs,
aber bitte im selben Restaurant; nach
eigenen Knoblauchbroten, aber bitte
aus derselben Bäckerei. Und der Autor
hatte es ihnen so einfach gemacht:
Keinen Namen erfunden oder nur ver-
Keinen Einfall zu haben, tagelang, mo-
natelang, das ist der Albtraum eines je-
den Schriftstellers. Den Engländer Peter
Mayle verließ die Inspiration, noch be-
vor er seinen literarischen Erstling zu
Papier bringen konnte. Doch in diesem
Fall sollte die Schaffenskrise Auftakt
sein zu einer ebenso merkwürdigen
wie einzigartigen Erfolgsgeschichte.
Und das kam so: Peter Mayle, ein
Werbefachmann, war in die Provence
gezogen, auf dass die Umgebung ihn
zu seinem ersten Roman beflügele.
Das tat sie nicht - was, nebenbei be-
merkt, nicht an der Umgebung lag,
denn Mayle hatte sich immerhin im Lu-
beron eingerichtet. So schrieb der ver-
hinderte Autor Tagebuch. „Mein Jahr
in der Provence“, eine Sammlung
beiläufig notierter Erlebnisse mit Men-
schen und Gebräuchen, nahm die
Bestsellerlisten im Sturm, zunächst in
England, aber auch den USA, Japan,
Deutschland - das „Phänomen Peter
Mayle“ war geboren.
Nun ist sicher über die Provence un-
gleich Schöneres, Tiefsinnigeres, Wah-
reres geschrieben worden, ohne dass
auch nur ein Bruchteil der Leserge-
meinde aus Fantasie-Provenzalen es
zur Kenntnis genommen hätte. Peter
Mayle aber, das macht seinen Erfolg
aus, verwirklicht gleichsam stellvertre-
tend unser aller Traum vom Haus im
Süden, und das Beste daran: Nie, nicht
einen Augenblick lang, droht Erwa-
chen, Ernüchterung, Enttäuschung. Je-
de Schwierigkeit entpuppt sich so-
gleich als liebenswerte Skurrilität, wie
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