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Ist die Erhaltung der Energie experimentell
überprüfbar?
Helmholtz, wie gesagt, gab seine Froschbeinexperimente zur Bestätigung des Energieer-
haltungssatzes bald auf. Andere Versuche aus dieser Zeit, die Wärmeerzeugung mit der
durch die Atmung freigesetzten Energie zu korrelieren, ergaben ein deutliches Miss-
verhältnis: Es wurde zwanzig Prozent mehr Wärme erzeugt, als zu erwarten war, [143]
wobei zu ergänzen ist, dass die Methoden sehr grob und ungenau waren. Erst im letzten
Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Energiebilanz eines Tiers nach sehr
strengen Kriterien ermittelt - lange nachdem man die Erhaltungssätze auch auf Lebe-
wesen ausgedehnt hatte.
Der Mediziner, Physiologe und Hygieniker Max Rubner hielt in Berlin einen Hund
fünf Wochen in einer eigens konstruierten Kammer, die er Respirationskalorimeter nan-
nte. Der Kaloriengehalt des Futters wurde erfasst, Urin, Kot, Kohlendioxidausstoß und
Wärmeerzeugung genau analysiert. Rubner hielt fest, der Wärmeverlust des Hundes
stimme sehr genau, nämlich zu 99,7 Prozent mit dem berechneten Energiegehalt der
verbrannten Nährstoffe überein. [144] Genau das wollten die Materialisten hören, und mit
Rubners Resultaten, so hieß es, werde der Vitalismus »endgültig zu Grabe getragen«. [145]
In den Vereinigten Staaten führten Wilbur Atwater und Francis Benedict Anfang des
vorigen Jahrhunderts ähnliche Studien mit Menschen durch, wobei sie Respirationskalor-
imeter einsetzten, um zu »zeigen, dass die Gesetze unbelebter Reaktionsabläufe auch
für den menschlichen Stoffwechsel Gültigkeit besitzen«. [146] Wie Rubner berechneten
sie den Brennwert der zugeführten Nahrung und verglichen ihn mit dem tatsächlichen
Energieausstoß in Form von Wärmeproduktion plus Arbeitsleistung. Die Durchschnitt-
swerte aller Experimente ergaben eine annähernd perfekte Übereinstimmung zwischen
den Messungen und den Berechnungen - wie erwartet. [147] Das Resultat war so überzeu-
gend, dass während der nächsten fast fünfundsiebzig Jahre niemand daran zweifelte. [148]
Nur dass es anderen Forschern nicht gelang, die Resultate zu reproduzieren, und 1921
kam es bei einem von der American Medical Association gesponserten Symposium zur
klinischen Kalorimetrie immer wieder zu der Klage, dass »die Geräte von unerfahrenen
Personen bedient wurden und es dadurch zu Verfälschungen der Resultate kam«. [149] Das
unterstreicht ein durchgängiges Problem der wissenschaftlichen Forschung. Wenn Res-
ultate mit den Erwartungen übereinstimmen, werden sie bereitwillig akzeptiert, während
unerwartete Resultate als fehlerhaft verworfen werden. Und manche Experimente sind
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