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EnergieErhaltung in lebenden Organismen
Das Erhaltungsgesetz der Energie war in der Physik unumstritten, bis die moderne Kos-
mologie mit ihren neuen Theorien aufwartete. In der Biologie allerdings war die Sache
nicht so klar und ist es bis heute nicht.
Vom siebzehnten Jahrhundert an erklärten die Anhänger der mechanistischen Natur-
wissenschaft, dass lebende Organismen nichts weiter als Maschinen seien. Das sahen
die Vitalisten anders. Die ganze Debatte war sehr wichtig für die aufkeimende Idee der
Energieerhaltung, insbesondere bei Hermann von Helmholtz (1821-1894). Er ist zwar
eher als ein führender Physiker seiner Zeit bekannt, hatte aber in jungen Jahren in der
preußischen Armee als Arzt gedient. Seine ersten Forschungen betrieb er auf dem Gebiet
der Physiologie. Während seiner Studienzeit in Berlin galt die vitalistische Lehre, dass
lebendige Organismen, neben der Versorgung mit Nahrung, Wasser und Luft, ihr Dasein
auch einer »Lebenskraft« verdanken. Helmholtz selbst war jedoch ganz auf die mechan-
istische Sicht des Lebens eingeschworen und machte es sich zur Aufgabe, die Biologie
vom Vitalismus zu befreien. Zunächst versuchte er, die Existenz der Lebenskraft exper-
imentell zu widerlegen. Dazu wollte er die von den Muskeln in Froschbeinen erzeugte
Wärme messen, wenn man sie mit elektrischen Impulsen zu Kontraktionen anregte. Da
es sich als sehr schwierig erwies, auf diesem Wege zu eindeutigen Resultaten zu gelan-
gen, gab er diese Experimente auf, verlegte sich auf den theoretischen Ansatz und
kam auf philosophischen Wegen zu dem Schluss, dass es ein Perpetuum Mobile nicht
geben könne. Lebende Organismen seien tatsächlich Maschinen, und so etwas wie die
»Vitalkraft« existiere nicht. 1847 veröffentlichte er eine Arbeit mit dem Titel »Über die
Erhaltung der Kraft«, worin er den Erhaltungssatz gleichermaßen auf lebende Organis-
men, Physik und Mechanik anwandte. [141]
Helmholtz' Gedanken spielten eine große Rolle für die Bildung der Konsensmeinung
zur Erhaltung der Energie, wie sie sich in den fünfziger Jahren des neunzehnten Jahrhun-
derts herausschälte. Lebewesen waren Maschinen wie alles andere und gehorchten
denselben Gesetzen, zu denen jetzt auch der Energieerhaltungssatz gehörte. Von da
an galt diese Annahme als gesicherte Tatsache. Nach den Worten des Mathematikers
Henri Poincaré waren die Erhaltungssätze der Materie und Energie sogar derart allge-
meingültig, dass »sie gar nicht mehr beweistauglich sind«. [142] Alles, was gegen sie zu
sprechen schien, konnte man fortan als fehlerhaft oder bewusst irreführend abweisen -
oder indem man neue und unbekannte Formen der Materie oder Energie postulierte.
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