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Diesen sogenannten Wärmetod hatte Bertrand Russell im Blick, als er vom »Schutt
eines in Trümmern fallenden Universums« sprach. [136]
Demgegenüber schien die biologische Evolution in Richtung einer zunehmenden Kom-
plexität zu gehen. Die Zeitpfeile der Biologie und der Physik wiesen in entgegengesetzte
Richtungen. Der scheinbare Widerspruch wurde zunächst als Folge unterschiedlicher
Zeitskalen erklärt. Die biologische Evolution, hieß es, sei ein temporäres Phänomen auf
der Erde, aber letztlich wie die Erde selbst zum Untergang verurteilt.
Um die Spekulationen über den Wärmetod wurde es jedoch in den sechziger Jahren
immer stiller, als sich die Urknalltheorie allmählich durchsetzte. Jetzt kam in die Kosmo-
logie selbst ein evolutionäres Element, schließlich musste das Universum sehr klein und
sehr heiß und weitgehend oder völlig strukturlos begonnen haben. Während es sich aus-
dehnte und abkühlte, entstanden einfache geordnete Strukturen und dann immer kom-
plexere. Dennoch gab es auch weiterhin kosmologische Modelle, die auch dem evolvier-
enden Universum sein Ende voraussagten: Die Schwerkraft des Universums, jetzt auch
noch durch die dunkle Materie vermehrt, würde die Ausdehnung allmählich verlang-
samen und schließlich anhalten. Danach würde es zu einer sich beschleunigenden kos-
mischen Kontraktion kommen, die im Gegenstück des Urknalls oder »Big Bang«, nämlich
im »Big Crunch« enden würde. An die Stelle des alten kosmischen Pessimismus des Wär-
metodes war jetzt ein neuer getreten.
Kurz vor der Jahrtausendwende wurde die Big-Crunch-Theorie auch wieder verdrängt,
diesmal durch ein Modell der von dunkler Energie angetriebenen ewigen Ausdehnung
des Universums. Nach dem gegenwärtigen Konsens ist dunkle Energie die Triebkraft des
expandierenden Universums, sie wirkt der Schwerkraft entgegen, die das Universum an-
sonsten zusammenziehen würde. In den meisten Modellen wird eine konstante Dichte
der dunklen Energie im Universum angenommen. Das bedeutet, dass sich in einem
definierten physikalischen Raummaß immer die gleiche Menge an dunkler Energie befin-
det. Aber das Universum dehnt sich aus, sein Volumen nimmt zu, weshalb auch die Ges-
amtmenge der dunklen Energie zunehmen muss. [137] Dann wäre die Gesamtmenge der
Energie nicht immer dieselbe, und das Universum wäre keine Maschine, deren Treibstoff
irgendwann zu Ende geht, sondern eher ein Perpetuum Mobile: Durch die dunkle Ener-
gie dehnt es sich aus und lässt dabei neue dunkle Energie entstehen.
Nach dem zurzeit von den meisten Kosmologen befürworteten Modell ist die dunkle
Energie gleichmäßig im Universum verteilt, aber es gibt auch Modelle, nach denen sie
aus einem »Quintessenz-Feld« hervorgeht, das je nach Ort und Zeit verschieden sein
kann. »Quintessenz«, zusammengezogen aus lateinisch quinta essentia , bedeutet wört-
lich »fünftes Seiendes« und geht auf den altgriechischen Ausdruck für das fünfte Ele-
ment zurück, aus dem die vier natürlichen Elemente hervorgingen, den Äther, der das
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