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Ewige Atome
Das Denken der Philosophen des alten Griechenlands kreiste um die Vorstellung, dass
hinter der sich wandelnden Welt der Erfahrung eine unwandelbare ewige Wirklichkeit
steht, eine ursprüngliche Einheit. Diese Überzeugung wurzelte vermutlich in mystischen
Erfahrungen, die eine höhere Wirklichkeit zu offenbaren schienen, eine von Raum und
Zeit unabhängige Wahrheit. Parmenides mühte sich, dieses höchste, unwandelbare Sein
irgendwie zu erfassen, und kam zu dem Schluss, es müsse etwas Undifferenziertes sein,
worin es keine Veränderung gibt. Letztlich konnte es nur das unwandelbare Eine tatsäch-
lich geben, nicht aber Dinge, die sich ändern. In der Welt unserer Erfahrung jedoch gibt
es viele verschiedene Dinge, die sich alle ändern. Dabei konnte es sich aus Parmenides'
Sicht nur um Illusion handeln.
Das konnten die Philosophen, die nach ihm kamen, so nicht gelten lassen, und so be-
mühten sie sich um plausiblere Theorien des absoluten Seins. Für die griechischen Den-
ker in der Tradition des Pythagoras (ca. 570-495 v. Chr.) bestand die ewige Wirklichkeit
aus unwandelbaren mathematischen Wahrheiten. Platon und seine Nachfolger glaubten
an transzendente Ideen oder Formen jenseits von Raum und Zeit. Die Atomisten fanden
eine weitere Erklärungsmöglichkeit. Sie sahen das absolute Sein nicht als unermessliche
und undifferenzierte Sphäre, in der sich in Wirklichkeit nichts je änderte, sondern sie
glaubten, es bestehe aus unzähligen undifferenzierten und unwandelbaren winzigen Din-
gen: aus materiellen Atomen, die sich in der Leere bewegten. Jetzt waren unwandelbare
Atome die Grundlage der wechselnden Phänomene in der Welt, Materie nahm den Platz
des absoluten Seins ein. [106] Die Philosophie des Atomismus oder Materialismus, erst-
mals von Leukipp und Demokrit im fünften vorchristlichen Jahrhundert vorgetragen, [107]
war das Ergebnis einer beeindruckenden logischen Abstraktionsleistung. Niemand kon-
nte Atome sehen oder ihr Vorhandensein nachweisen, aber es erwies sich als eine unge-
mein fruchtbare Idee, die nach wie vor von großem Gewicht ist. Und da Atome defini-
tionsgemäß unzerstörbar waren, besagt sie auch implizit bereits, dass die Gesamtmenge
der Materie immer gleich sein muss.
Nach Auffassung der Atomisten werden die Bewegungen und Verbindungen der Atome
von Naturgesetzen beherrscht. Götter brauchte man dazu nicht, und das Universum
brauchte auch keine göttliche Zielsetzung. Selbst die menschliche Seele beruhte nach
dieser Auffassung auf atomaren Verbindungen und verschwand mit dem Tod, während
die beteiligten Atome dann in neue Mischungen und Verbindungen eingingen - sie waren
das einzig Dauerhafte, ewig unveränderlich.
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