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Organismische Philosophie
Während die mechanistische und vitalistische Theorie auf das siebzehnte Jahrhundert
zurückgehen, entwickelte sich die Philosophie des Organismus, auch als ganzheitlicher
oder organismischer Ansatz bezeichnet, seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhun-
derts. Einer seiner Hauptvertreter war der Mathematiker und Philosoph Alfred North
Whitehead (1861-1947), ein anderer Jan Christiaan Smuts, ein südafrikanischer Staats-
mann und Privatgelehrter. In Smuts' 1926 erschienenem Buch Holism and Evolution ( Die
holistische Welt , 1938) geht es um »die Tendenz der Natur, durch schöpferische Evolu-
tion Ganzheiten hervorzubringen, die mehr sind als die Summe ihrer Teile«. [94] Holismus
war für ihn
das grundlegende synthetische, ordnende, organisierende und regulierende Ges-
chehen im Universum, das für alle strukturbildenden Gruppierungen und Synthesen
verantwortlich ist - vom Atom und den physikalisch-chemischen Gebilden über die
Zellen und Organismen, über den Geist der Tiere bis hin zur Persönlichkeit des
Menschen. Die synthetische Vereinigung oder Ganzheit in diesen Strukturen ist von
allgegenwärtiger und stetig weiter um sich greifender Natur und führt zu dem
Schluss, dass Holismus das Grundgeschehen ist, auf dem alle Vorgänge beruhen und
von dem sie koordiniert werden, und dass dieses Universum ein holistisches Univer-
sum ist. [95]
Das holistische oder organismische Denken, auch als »Organizismus« bezeichnet, stimmt
mit der mechanistischen Theorie insofern überein, als es die Einheit der Natur betont:
Das Leben biologischer Organismen ist von physikalischen Systemen wie Molekülen und
Kristallen nur graduell und nicht grundsätzlich verschieden. Der Organizismus bestätigt
darüber hinaus den vitalistischen Gedanken, dass Lebewesen ihr Ordnungsprinzip in sich
selbst tragen. Organismen sich Ganzheiten, die sich nicht auf die Physik und Chemie ein-
facherer Systeme zurückführen lassen.
Letztlich ist für die organismische Philosophie also alles in der Natur lebendig. Darin
ist sie eine aktualisierte Form des vormechanistischen Animismus. Selbst Atome,
Moleküle und Kristalle sind Organismen. Smuts drückt es so aus: »Materie und Leben
weisen - in Gestalt des Atoms und der Zelle - strukturelle Einheiten auf, deren geordnete
Gruppierung jene natürlichen Ganzheiten hervorbringt, die wir Körper oder Organismen
nennen.« [96] Atome sind nicht einfach Bausteine, nicht einfach Stoff wie im alten Atomis-
mus. Vielmehr zeigte die Physik des zwanzigsten Jahrhunderts, dass sie Aktivitäts- oder
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