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Jahrhundert folgte die allgemein akzeptierte und an den Hochschulen Europas gelehrte
Theorie des Lebens Aristoteles und seinem wichtigsten christlichen Interpreten, Thomas
von Aquin (ca. 1225-1274). Für ihn galt, dass die Materie der Pflanzen und Tiere von ihr-
er Seele geformt wurde. Die Seele war die prägende Gestalt des Leibes. [58] Sie wirkte wie
eine unsichtbare Hohlform, in welche die Pflanze oder das Tier gleichsam hineinwuchs,
um in ihr schließlich seine ausgewachsene Form zu finden. [59]
Die Seelen der Pflanzen und Tiere wurden als natürlich und nicht als übernatürlich
angesehen. Nach der klassischen griechischen und ebenso in der mittelalterlichen Philo-
sophie besaßen sogar Magnete eine Seele, und das finden wir auch in William Gilberts
Theorie des Magnetismus wieder. [60] Ihre Seele, von der sie durchdrungen und umgeben
waren, verlieh ihnen die Kraft der Anziehung und Abstoßung. Erhitzte man einen Mag-
neten, so dass er seine magnetischen Eigenschaften verlor, dann war es, als hätte ihn die
Seele verlassen, wie sie den Körper eines sterbenden Tiers verlässt. Heute sprechen wir
von Magnetfeldern. So gut wie überall sind Felder an die Stelle der Seele der klassischen
und mittelalterlichen Philosophie getreten. [61]
Vor der mechanistischen Revolution existierten drei Betrachtungsebenen, die der
Körper, der Seelen und der Geister. Körper und Seelen gehörten zur Natur. Geister war-
en immateriell, konnten jedoch durch die Seelen verkörperter Wesen mit diesen Umgang
haben. In der christlichen Theologie galt, dass der menschliche Geist, die »rationale
Seele«, für den Geist Gottes empfänglich war. [62]
Nach der mechanistischen Revolution gab es nur noch zwei Betrachtungsebenen:
Körper und Geist. Die Seele wurde aus der Natur entfernt, und es blieb nur noch die
»rationale Seele«, das heißt der Geist des Menschen. Die Abschaffung der Seele führte
zur Trennung des Menschen von allen Tieren, die zu unbelebten Maschinen wurden. Die
»rationale Seele« des Menschen war wie ein immaterieller Geist in der Maschine des
Körpers.
Aber wie sollte die rationale Seele mit dem Gehirn zusammenarbeiten? Nach Des-
cartes' Spekulation war die Zirbeldrüse die Kontaktstelle. [63] Er dachte sich die Seele
als kleinen Mann in der Zirbeldrüse, der das Röhrensystem des Gehirns regulierte. Des-
cartes sah Nerven als so etwas wie Wasserleitungen, die Flüssigkeitsräume des Gehirns
als Speichertanks, die Muskeln als Federn, die Atmung als so etwas wie die Bewegungen
einer Uhr. Die Organe des Körpers waren wie die Automaten in den Wassergärten jener
Zeit, und das immaterielle Männchen in der Zirbeldrüse versah den Dienst des Brunnen-
meisters:
Äußere Gegenstände, die durch ihr bloßes Vorhandensein die Sinnesorgane anregen
… sind wie in die Grotten dieser Springbrunnen eintretende Besucher, die unwissent-
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