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über die Heilkräfte von Kräutern oder die bewusstseinserweiternde Wirkung psychotrop-
er Pflanzen wie der Liane Ayahuasca im Amazonasgebiet weiß, kann er nach westlichem
Verständnis nur durch Ausprobieren zu diesen Kenntnissen gelangt sein. Die Schamanen
selbst freilich sagen, ihr Wissen komme von den »Pflanzenlehrern«. [620]
Was, wenn Schamanen wirklich einen Zugang zu Erkenntnissen über Pflanzen und
Tiere hätten, von dem Wissenschaftler noch überhaupt nichts wissen? Sie haben die
Natur über viele Generationen belauscht - was, wenn sie dabei wirklich Formen der Kom-
munikation mit ihrer Umwelt entdeckt hätten, die sich nicht objektiver, sondern subjekt-
iver Methoden bedienen? Der brasilianische Anthropologe Viveiros de Castro macht den
Unterschied klar:
Unser Spiel heißt Objektivierung … Das andere ist der Form nach Ding . Der Scham-
anismus der Ureinwohner Amerikas ist vom entgegengesetzten Ideal geleitet.
Erkennen heißt hier personifizieren: den Standpunkt dessen einnehmen, was erkannt
werden soll. Schamanische Erkenntnis zielt auf etwas, das ebenfalls ein Jemand ist,
ebenfalls ein Subjekt. Das andere ist der Form nach Person . Ich gebe hier die Defini-
tion dessen, was Anthropologen einst Animismus nannten und was weit mehr ist als
eine eher müßige metaphysische Annahme, denn wenn ich Tieren und anderen so-
genannten Naturwesen eine Seele zuspreche, bedingt das auch eine ganz bestimmte
Form des Umgangs mit ihnen. [621]
Den größten Teil ihrer Geschichte haben die Menschen als Sammler und Jäger gelebt,
und sie konnten nur überleben, weil sie sich auf die Jagd verstanden und ein tiefes Ver-
ständnis ihrer Beutetiere besaßen. Sie überlebten, weil sie wussten, welche Pflanzen ess-
bar waren und wo man sie wann finden konnte. Ihr Wissen hat sich praktisch bewährt.
Wir haben heute noch den Nutzen davon. Etwa 70 Prozent unserer Medikamente sind
letztlich pflanzlicher Herkunft (siehe Kapitel 10), und die Heileigenschaften der Pflanzen
sind zu einem Großteil überliefert, vor langer Zeit in vorwissenschaftlichen Kulturen ent-
deckt.
Die experimentelle Psychologie hat sich im zwanzigsten Jahrhundert bemüht, durch
Betrachtung von außen etwas Objektives über den Geist herauszufinden, sie hat mess-
bares Verhalten und quantifizierbare Reaktionen untersucht. Im typischen behavior-
istischen Experiment lernen Ratten in Käfigen Hebel zu betätigen, um an Futter zu
kommen oder um Unannehmlichkeiten wie Stromschläge abzustellen. In der neueren
Forschung geht es vornehmlich um die Erforschung des Gehirns und um Computermod-
elle der Gehirntätigkeit. In den mystischen Traditionen in Ost und West ergründen die
Menschen das Wesen des Geistes durch lange Phasen der Meditation und betrachten
die
geistigen
Prozesse
von
innen
her.
Forschungspsychologen
und
Kognitionswis-
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