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Von anderen Kulturen lernen
Die größte Schwachstelle der Naturwissenschaften zeigt sich, wenn sie sich der subjekt-
iven Seite der Realität annehmen - oder sie zu umgehen versuchen. Unsere Erfahrung -
etwa vom Duft einer Rose oder vom Sound einer Band - wird dabei abgezogen, und was
bleibt, sind duftlose molekulare Gebilde und Schwingungsphysik. Die Wissenschaften
versuchen sich auf Ich-es-Beziehungen zu beschränken, auf die Welt aus der Sicht einer
dritten Person. Ich-du-Beziehungen, das heißt Erfahrungen in der zweiten Person, oder
gar persönliche Erfahrungen, also Erfahrung in der ersten Person, spricht man bess-
er gar nicht erst an. Unser Innenleben - Träume, Hoffnung, Liebe, Hass, Schmerz,
Begeisterung, Intention, Freude und Kummer - kommen nur als Kurven eines Elektroen-
zephalogramms, als Konzentrationsänderungen bestimmter Stoffe an den Nervenenden
oder als Gehirnquerschnitte am Computerbildschirm vor. So wird aus unserem Geist ein
»Es«, ein Objekt.
Aber was, wenn wir den Geist nicht als Objekt, sondern alle selbstorganisierenden
Systeme als Subjekte behandeln würden? Wie wir im 4. Kapitel gesehen haben, denken
manche Philosophen, dass Materialismus letztlich einen Panpsychismus impliziert und
gezwungen ist, selbstorganisierenden Systemen wie Atomen, Molekülen, Kristallen,
Pflanzen und Tieren so etwas wie einen »Standpunkt« oder ein Innenleben oder subjekt-
ive Erfahrung zuzuschreiben. Für Tierhalter ist es meist ganz selbstverständlich, dass
ihr Hund, ihre Katze, ihr Papagei oder ihr Pferd ein Innenleben mit Gefühlen, Wünschen
und Ängsten hat. Aber Schlangen? Oder Austern? Oder Pflanzen? Wir können uns ihr
Innenleben vorzustellen versuchen, doch es ist wahrlich nicht einfach, sich da einzufüh-
len. Aber in traditionellen Sammler-und-Jäger-Gesellschaften überall auf der Welt gibt es
»Spezialisten« für die Kommunikation mit nichtmenschlichen Lebensformen, Schaman-
en, die mit allerlei Tieren und Pflanzen in Verbindung treten können. Sie nehmen durch
ihren Geist oder über Geister Kontakt zu Pflanzen und Tieren auf und gewinnen dadurch
wertvolle Erkenntnisse. Es heißt, sie wüssten, wo Tiere zu finden sind, und könnten so
den Jägern helfen. Sie wissen, welche Pflanzen zur Heilung oder zu bewusstseinserweit-
erndem Gebräu dienen können.
Schamanisches Wissen gilt den westlichen Naturwissenschaften seit Jahrhunderten
als primitiver animistischer Aberglaube. Ethnologen haben die gesellschaftliche Stellung
der Schamanen erforscht, aber die meisten kommen dann zu dem Schluss, die Schaman-
en gewännen ihr Wissen über die Natur letztlich auf ganz normalen Wegen, nämlich über
die Sinneswahrnehmung oder durch Versuch und Irrtum. Wenn ein Schamane etwas
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