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Wie Erwartungen die Ergebnisse färben
Die in der medizinischen Forschung Tätigen wissen im Allgemeinen recht gut, wie
sich ihre Überzeugungen und Erwartungen auf die Ergebnisse ihrer Experimente aus-
wirken können. Man spricht hier vom »Experimentatoreffekt« oder »Experimentator-
Erwartungs-Effekt«. Deshalb werden viele klinische Versuchsreihen doppelblind
durchgeführt: Weder die Experimentatoren noch die Patienten wissen, wer welche Be-
handlung bekommt.
Auch in der experimentellen Psychologie ist der Experimentatoreffekt wohlbekannt.
Die klassische Demonstration dieses Prinzips war ein Experiment, bei dem Psychologi-
estudenten höherer Semester den Rorschachtest bei einer Reihe von Probanden durch-
führen sollten. Bei diesem Test geht es um das Erkennen von Mustern oder Formen
in Tintenklecksen. Die Hälfte der Studenten bekam vor Beginn des Tests den Hin-
weis, erfahrene Psychologen erhielten von den Testteilnehmern eher Antworten aus dem
menschlichen Bereich als aus dem Tierreich. Den übrigen Studenten wurde genau das
Gegenteil gesagt. Und tatsächlich stellte sich am Ende heraus, dass in der zweiten
Gruppe mehr Tierbilder auftraten als in der ersten. [566]
Sogar bei Experimenten mit Tieren können die Erwartungen der Experimentatoren
die Ergebnisse beeinflussen. Auch dazu gibt es ein klassisches Experiment mit Ratten in
einem Standardlabyrinth, durchgeführt an der Harvard University von Robert Rosenth-
al und seinen Kollegen. Die beteiligten Studenten erhielten die Anweisung, zwei durch
selektive Züchtung über mehrere Generationen erzeugte Stämme von Ratten in ihrer
Leistung im Labyrinth zu vergleichen. Die Information war allerdings falsch. Tatsächlich
stammten die Ratten alle aus ein und derselben Zuchtreihe normaler Laborratten, nur
hatte man sie nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen unterteilt, die als »labyrinthsch-
lau« und »labyrinthdumm« bezeichnet wurden.
Die Studenten verließen sich natürlich auf die Angaben und erwarteten, dass die sch-
lauen Ratten besser abschneiden würden, und tatsächlich stellten sie fest, dass die so-
genannten schlauen Ratten viel schneller lernten als die sogenannten dummen. [567] Da
die Ratten in dieser Hinsicht mehr oder weniger identisch waren, muss der frappierende
Unterschied etwas mit den Erwartungen der Studenten zu tun gehabt haben.
Während jedoch der Experimentator-Erwartungs-Effekt in der psychologischen und
medizinischen Forschung bekannt ist und berücksichtigt wird, geht man in den »harten«
Wissenschaften generell davon aus, dass er keine Rolle spielt. Hier unterstellen die Wis-
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