Biology Reference
In-Depth Information
reisenden körperlosen Geistes nicht bewegt und dass keine Zeit vergeht. Diese Szene,
die er erstmals 1896 mit sechzehn Jahren vor sich sah, ließ ihn über Jahre nicht mehr los
und spielte eine wichtige Rolle für die Entwicklung seiner Relativitätstheorie. [553]
Nur wenige außergewöhnliche Naturwissenschaftler vermochten ihre Phantasie so
wie Kepler und Einstein einzusetzen, aber das Ideal der körperlosen, objektiven Erken-
ntnis ist eben das, was die Naturwissenschaft von anderen Formen menschlichen
Forschens abhebt. Um diesen Sonderstatus herauszukehren, haben die Naturwis-
senschaftler sogar einen besonderen Schreibstil entwickelt, der sich gegen Ende des
neunzehnten Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreute und auch heute noch in vielen wis-
senschaftlichen Arbeiten anzutreffen ist. Sie machten ausgiebig vom Passiv Gebrauch,
um sich als körper- und leidenschaftslose Beobachter darzustellen, denen sich die Dinge
gleichsam aus freien Stücken offenbaren. Statt »Ich füllte ein Reagenzglas« sagten sie
lieber: »Ein Reagenzglas wurde gefüllt …« Sie beobachteten, so scheint es, nie selbst et-
was, sondern schrieben: »Es war zu beobachten, dass …« Sie dachten nicht einmal selbst
über ihre Resultate nach, sondern schrieben: »Es wurde erwogen, dass …«
Damals glaubten die Materialisten, die Physik werde ein klares Bild der Materie
erarbeiten können, in dem überhaupt nicht mehr von Geist die Rede sein müsse, doch
die in den zwanziger Jahren beginnende Entwicklung der Quantentheorie machte einen
Strich durch diese Rechnung. Zu Beobachtungen gehören Beobachter, und die Anlage
eines Experiments bestimmt bereits bis zu einem gewissen Grad, was dabei herauskom-
men wird. Eigentlich ist das offensichtlich, aber bis zur Entwicklung der Quantentheorie
haben die Physiker immer so getan, als wären sie an ihren eigenen Experimenten nicht
beteiligt. Der Physiker Bernard d'Espagnat schrieb 1976 über die Physik im ausgehenden
neunzehnten Jahrhundert:
Die Physiker glaubten … sie könnten ihre Wissenschaft formulieren, ohne den
Bewusstseinszustand der Beobachter auch nur implizit berücksichtigen zu müssen.
Es war nur natürlich, dass die Denker jener Zeit eine so definierte Materie als die
ursprüngliche und einzige Realität ansahen. Heute liegen die Dinge völlig anders …
Die Prinzipien der Physik haben selbst eine Evolution durchgemacht und lassen sich
nicht einmal mehr formulieren, ohne einen (wenn auch in manchen Fällen impliziten)
Bezug zu den Eindrücken und folglich zum Geist der Beobachter herzustellen. In der
Folge wird sich der Materialismus zwangsläufig ändern. [554]
Physiker und andere Naturwissenschaftler blieben jedoch beim Passiv in ihren wis-
senschaftlichen Arbeiten. Die Dinge ändern sich jetzt, wie ich weiter unten erläutern
werde, aber in der allgemeinen Vorstellung von Wissenschaft und über weite Strecken
Search WWH ::




Custom Search