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Sorge um ein zu weites Absinken des Blutdrucks den Placeboeffekt bei der klinischen Er-
probung blutdrucksenkender Mittel, jedenfalls liegt der Placeboeffekt hier niedriger als
in den Ländern, in denen diese Sorge nicht besteht. [510]
Lange Zeit galt der Placeboeffekt in der medizinischen Forschung als ärgerlicher Stör-
faktor bei klinischen Tests. Man wollte ja etwas über »wirkliche« Heilmittel herausfind-
en, und da war der Placeboeffekt einfach eine unerwünschte Komplikation. Aber diese
Einstellung beginnt sich jetzt zu wandeln. Die Placeboantwort zeigt, dass die Annahmen
und Hoffnungen der Patienten eine wichtige Rolle im Heilungsprozess spielen.
Traditionell stufen die Verfechter der mechanistischen Medizin die Wirkung der Kom-
plementär- und Alternativmedizin als »bloßen Placeboeffekt« ein, aber in der Schulmed-
izin spielt er nachweislich ebenfalls eine große Rolle. In ihrem Buch Trick or Treatment
(Gesund ohne Pillen) schreiben Simon Singh und Edzard Ernst:
Die Wirkung einer bewährten Anwendung wird immer durch den Placeboeffekt ver-
stärkt. Die Behandlung wird nicht nur ein Durchschnittsresultat zeigen, sondern et-
was mehr als das, weil der Patient mit dem Erfolg der Behandlung rechnet … Die be-
sten Ärzte setzen die Placebowirkung voll ein, die schlechtesten nutzen die Place-
boverstärkung bei ihren Behandlungen kaum. [511]
2009 wurde festgestellt, dass der Placeboeffekt zunimmt, besonders in den Vereinigten
Staaten. Bei klinischen Testreihen kommt es immer seltener vor, dass neue Medikamente
besser abschneiden als das Placebo. Anders gesagt: Mehr und mehr Medikamente fallen
bei den Tests durch, und das ist für die Hersteller eine höchst bedenkliche Sache.
Warum nimmt der Placeboeffekt zu, und das vor allem in den Vereinigten Staaten?
Nun, vielleicht sind die Pharmaunternehmen Opfer ihres eigenen Erfolgs. Seit 1997 ist es
in den Vereinigten Staaten zulässig, auch verschreibungspflichtige Medikamente direkt
gegenüber dem »Endverbraucher« zu bewerben. Seitdem werden die Bürger der USA
mit Arzneimittelwerbung geradezu überschwemmt. Viele dieser Reklamen schaffen op-
timistische Assoziationen zwischen Pille und Seelenfrieden. Und diese Werbekampagnen
waren nur zu erfolgreich, sie lassen die mit neuen Medikamenten verbundenen Hoffnun-
gen und Erwartungen steigen, was dann aber auch den Placeboeffekt bei klinischen Tests
verstärkt, so dass der Unterschied zwischen einem Placebo und dem getesteten Mittel
kleiner wird. [512]
Wäre das materialistische Denken eine tragfähige Basis für die Medizin, sollte die
Placeboreaktion gar nicht erst eintreten. Es gibt sie aber, und das zeigt, dass Hoffnung
von positivem Einfluss auf Gesundheit und Heilung sein kann. Genauso können Zweifel
und Hoffnungslosigkeit negative Auswirkungen haben. Es gibt inzwischen einen ganzen
Forschungszweig, der sich diesen Zusammenhängen widmet, die Psychoneuroimmunolo-
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