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Überraschenderweise tritt das Gefühl, angeschaut zu werden, auch dann ein, wenn
die Person nicht direkt, sondern am Bildschirm angeschaut wird. Videoüberwachung ist
heute in Einkaufszentren und Banken, an Flughäfen und anderen öffentlichen Plätzen
und sogar auf manchen Straßen gang und gäbe. Meine Assistenten und ich interviewten
Mitarbeiter des Überwachungs- und Sicherheitspersonals, zu deren Aufgabe es gehört,
Menschen per Bildschirm zu überwachen. Die meisten zeigten sich überzeugt, dass
manche Menschen es einfach spüren, wenn sie beobachtet werden. [423] Der Sicher-
heitschef einer großen Londoner Firma sagte, manche Leute hätten einfach den sechsten
Sinn: »Auch wenn sie mit dem Rücken zur Kamera sind oder von einer versteckten Kam-
era aufgenommen werden, werden sie unruhig. Manche gehen weiter, andere sehen sich
nach der Kamera um.«
Bei Labortests zeigte sich, dass viele Menschen physiologisch auf die Überwachung
mittels Videokamera reagieren und ihre Reaktion nicht einmal unbedingt bemerken.
Bei diesen Experimenten hielten sich Proband und Blicker in zwei verschiedenen Räu-
men auf, einzig über die Videoleitung miteinander verbunden. Gemessen wurde beim
Probanden ähnlich wie beim Lügendetektortest die galvanische Hautreaktion, die emo-
tionale Regungen über feinste Schwankungen der Hautausdünstung anzeigt (Schweiß
verändert die elektrische Leitfähigkeit der Haut). Bei diesen randomisierten Versuchen
war es wieder so, dass der Blicker entweder den Probanden am Bildschirm anschaute
oder den Blick abgewendet hielt und an etwas anderes dachte. Wie sich zeigte, änderte
sich der Hautwiderstand beim Probanden deutlich, wenn er angeschaut wurde. [424]
Wenn Blickwahrnehmung auch über Video funktioniert, kann das nur bedeuten, dass
wir die Aufmerksamkeit anderer wahrnehmen, selbst dann, wenn wir nicht direkt an-
geschaut werden.
Die Fernwirkung der Aufmerksamkeit deutet darauf hin, dass sich Geist nicht nur im
Gehirn befindet.
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