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Erfahrung des Sehens unerklärt ließ. Es ist ein Problem, das die Wissenschaft seither
verfolgt.
Auch Keplers Zeitgenosse Galilei zog die Wahrnehmung von der Außenwelt ab und
ließ sie im Kopf stattfinden. Er unterschied zwischen den »primären« und »sekundären«
Qualitäten der Dinge. Zu den primären Eigenschaften zählte alles, was messbar war und
sich mathematisch behandeln ließ, etwa Größe, Gewicht und Form. Das waren die Dinge,
mit denen sich die objektive Wissenschaft befasste. Sekundäre Eigenschaften wie Farbe,
Geschmack, Beschaffenheit und Geruch lagen dagegen nicht in der Materie selbst, sie
waren subjektiv, und subjektiv hieß: im Gehirn. So wurde also unsere unmittelbare Wel-
terfahrung in zwei Bereiche aufgetrennt: das Objektive da draußen und das Subjektive
hier drinnen im Kopf.
Auch wenn wir heute eine Menge über die Zuständigkeiten vieler Hirnregionen wissen
- in der Frage, wie das Gehirn die subjektive Erfahrung produziert, ist auch vierhundert
Jahre später kaum ein Fortschritt erzielt worden. Nach allgemein akzeptierter An-
schauung erzeugt das Gehirn in sich selbst ein Bild oder Modell der Welt. In einer mod-
ernen Einführung in die Neurowissenschaften liest sich das so:
Das Gehirn baut eine innere Repräsentation der äußeren physischen Ereignisse auf,
nachdem es sie zuvor in ihre Komponenten zerlegt hat. Das Gehirn tastet das Blick-
feld ab und analysiert dabei zugleich, aber gesondert die Formen der Dinge, ihre
Bewegungen, ihre Farben, bevor es dann nach seinen eigenen Regeln ein Gesamtbild
zusammenfügt. [389]
Die meisten derzeitigen Metaphern für das, was im Gehirn vor sich geht, sind vom Com-
puter abgeleitet, und die »inneren Repräsentationen« stellt man sich meist nach Art der
computergenerierten »virtuellen Wirklichkeit« vor. Der Psychologe Jeffrey Gray hat das
so auf den Punkt gebracht: »Das ›da draußen‹ der bewussten Erfahrung ist nicht wirk-
lich außen, es ist alles im Kopf.« Unsere visuellen Eindrücke sind eine »Simulation« der
realen Welt, »die vom Gehirn aufgebaut wird und im Gehirn existiert«. [390]
Doch aus dieser Vorstellung vom Sehen als einer im Kopf stattfindenden Simulation
folgen ein paar sehr eigenartige Dinge. Darauf hat der Philosoph Stephen Lehar hingew-
iesen. [391] Wenn ich zum Beispiel in den Himmel blicke, muss der Himmel, den ich sehe,
in meinem Gehirn sein. Mein Kopf ist größer als der Himmel!
Ich sage, dass da draußen hinter den fernsten Dingen, die Sie ringsum wahrnehmen
können - über dem Himmelsgewölbe und unter dem festen Boden unter Ihren Füßen
oder jenseits der Wände und der Decke des Zimmers, das Sie um sich her sehen -,
die innere Oberfläche Ihres wahren physischen Schädels liegt und dahinter eine un-
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