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Sich-Erinnern
Bewusstes Sich-Erinnern ist ein aktiver Prozess. Unsere Fähigkeit, uns an etwas Bestim-
mtes zu erinnern, hängt davon ab, welche Verbindungen wir bei der Erfahrung selbst
gezogen haben. Wenn wir die Elemente einer Erfahrung sprachlich eingeordnet und ver-
bunden haben, wird die Sprache auch dabei helfen, uns diese Erfahrung wieder in Erin-
nerung zu rufen. Verknüpfungen, die gar nicht erst hergestellt wurden, können natürlich
auch nicht erinnert werden.
Unser Kurzzeitgedächtnis hält uns Wörter und Wortgruppen gerade so lange präsent,
dass wir ihre Verknüpfungen erkennen und ihre Bedeutung nachvollziehen können. Wir
erinnern uns eher an die Bedeutungen, das heißt an Verknüpfungsmuster, als an die
Worte selbst. Wir können den Inhalt eines kürzlich geführten Gesprächs wiedergeben,
aber selten den genauen Wortlaut. Für die geschriebene Sprache gilt das Gleiche: Sie
werden sich an manche der in früheren Kapiteln dieses Buchs dargestellten Fakten und
Zusammenhänge erinnern, aber vermutlich könnten Sie nur wenig davon wortwörtlich
zitieren.
Das Kurzzeitgedächtnis gibt uns die Möglichkeit, die Elemente unserer gegenwarts-
nahen Erfahrung sowohl miteinander als auch mit früheren Erfahrungen zu verknüpfen.
Was nicht verbunden wird, gerät in Vergessenheit. Das Kurzzeitgedächtnis wird gern mit
dem Arbeitsspeicher eines Computers verglichen; es ist von begrenzter Kapazität und
kann nur mit fünf bis höchstens neun Inhalten gleichzeitig umgehen. In den vierziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts wies der Neurowissenschaftler Donald Hebb darauf
hin, dass Kurzzeiteindrücke von weniger als einer Minute Dauer wahrscheinlich nicht
chemisch gespeichert werden. Er vermutete, dass sie in so etwas wie elektrischen Sch-
wingkreisen bewahrt wurden - womit vielleicht eine Art Resonanz angesprochen ist.
Beim räumlichen Erinnerungsvermögen, beispielsweise der Erinnerung an die Rau-
maufteilung eines bestimmten Hauses, sind die Zuordnungen an Körperbewegungen
gekoppelt - zum Beispiel wie man einen Gang entlanggeht und eine Treppe hinaufsteigt,
um in ein bestimmtes Zimmer zu gelangen.
Mnemotechnik oder Mnemonik - die Prinzipien, nach denen wir uns etwas einprägen
und wieder in Erinnerung rufen - waren schon im Altertum bekannt und gehörten zum
Studium der Rhetorik. Es wurden Techniken vermittelt, nach denen man Verbindun-
gen herstellen kann, die es einem erleichtern, sich an die wichtigen Inhalte zu erin-
nern. [373] Wo solche Verknüpfungen sprachlich hergestellt werden, kommen wir zu den
»Eselsbrücken«, bei denen es darum geht, einen Lerninhalt mittels einprägsamer oder
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