Biology Reference
In-Depth Information
ResonanzLernen
Bei Tieren werden Verhaltensweisen vielfach durch Imitation von den Artgenossen
übernommen. Junge Amseln beispielsweise lernen Liedstrophen dadurch, dass sie älter-
en Vögeln zuhören. Es handelt sich um eine Art kulturelle Vererbung.
Am höchsten ist die kulturelle Vererbung beim Menschen entwickelt. Wir alle lernen
viele Verhaltensweisen und Fähigkeiten von anderen - unsere Muttersprache, Rechnen,
Flötespielen, Stricken und vieles andere. Die Weitergabe solcher Fähigkeiten lässt sich
als Resonanzprozess auffassen.
In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fiel den Neurowissenschaftlern eine
merkwürdige Übereinstimmung auf: Wenn ein Tier ein anderes bei irgendwelchen Ak-
tionen beobachtete, kam es im motorischen Teil seines Gehirns zu Veränderungen, die
den Aktionsmustern im Gehirn des beobachteten Tiers entsprachen. Man hat für dieses
Phänomen den Begriff »Spiegelneuronen« geprägt: Die Hirntätigkeit des beobachtenden
Tiers spiegelt die des beobachteten Tiers; die Veränderungen sind die gleichen, die auch
die tatsächliche Ausführung der Aktion beim beobachteten Tier begleiten. Allerdings ist
der Begriff »Spiegelneuron« insofern missverständlich, als man meinen könnte, es sei-
en für dieses Geschehen besondere Nerven oder Nervenzellen zuständig. Resonanz ist
wahrscheinlich eine bessere Beschreibung des Phänomens. Tatsächlich bezeichnet Vit-
torio Gallese, einer der Entdecker der Spiegelneuronen, die Imitation von Bewegungen
oder Aktionen als »Resonanzverhalten«. [370]
Der Begriff mag neu sein, aber das Resonanzverhalten selbst ist schon lange bekannt.
Die gesamte Pornobranche lebt davon. Das Zuschauen bei den sexuellen Aktivitäten an-
derer löst durch eine Art Resonanz sexuelle Erregung aus.
Manche Wissenschaftler erweitern dieses Spiegelphänomen zu einer »motorischen
Resonanztheorie«, die besagt, dass das Nervensystem auf die »beobachtete Ausführung
von zielorientiertem Handeln« reagiert. [371] Diese Resonanz ist nicht auf das Gehirn bes-
chränkt, sondern umfasst das gesamte Bewegungsmuster des Körpers und spielt zweifel-
los eine sehr wichtige Rolle beim Erlernen einer Fähigkeit wie Radfahren und bei ander-
en Formen eines »learning by doing«.
Durch Wiederholung verfestigen sich Verhaltensmuster, und die Geschicklichkeit nim-
mt zu, bis sie immer mehr zur Gewohnheit werden. Sowohl der Erwerb neuer Verhaltens-
weisen als auch die Erinnerung an Verhaltensweisen lässt sich gut mit dem Modell der
morphischen Resonanz erklären.
Search WWH ::




Custom Search