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Wiederholung der Reizes wiederholt sich auch das Reaktionsmuster: Kontraktion und an-
schließende Rückkehr zum Normalzustand. Bei weiteren Wiederholungen geschieht je-
doch die Rückkehr zum Normalzustand immer schneller, bis schließlich gar keine Reak-
tion mehr auf den harmlosen Reiz erfolgt. Das ist Gewöhnung durch Selbstresonanz. Ein
neuartiger Reiz dagegen provoziert gerade deshalb eine deutliche Reaktion, weil der Or-
ganismus noch nicht mit ihm vertraut ist.
Gewohnheitsbildung findet bei allen großen und kleinen Tieren statt, ob sie ein Ner-
vensystem besitzen oder nicht. Besonders eingehend wurde der Gewöhnungsprozess bei
der Riesenseeschnecke Aplysia erforscht, die über dreißig Zentimeter lang wird. Sie
besitzt ein sehr einfach gebautes Nervensystem, das von Individuum zu Individuum sehr
ähnlich ist. Diese Schnecke zieht ihre Kiemen ein, sobald sie berührt wird. Dieser Re-
flex bleibt jedoch wie bei Stentor bald aus, wenn schwache oder harmlose Reize wieder-
holt werden. Die sensorischen und motorischen Zellen, die den Kiemenreflex steuern,
sind von Eric Kandel und seiner Gruppe lokalisiert worden; nur vier motorische Zellen
sind für den Einzugsreflex verantwortlich. Im Falle einer Gewöhnung hören die sensor-
ischen Zellen allmählich auf, die motorischen Zellen anzuregen, sie setzen dann immer
seltener kleine Mengen von chemischen Überträgersubstanzen (Transmittern) an den
synaptischen Verbindungen mit den motorischen Zellen frei. Wenn sich jedoch im Laufe
eines Gewöhnungsprozesses etwas an den Synapsen ändert, muss das nicht bedeuten,
dass die Erinnerungen chemisch dort gespeichert werden. Vielleicht ist der gesamte Or-
ganismus wie bei Stentor durch morphische Resonanz in den Gewöhnungsprozess ein-
bezogen. Vielleicht ist Selbstresonanz bei allen einfachen und komplexen Lebewesen,
auch bei uns Menschen, die Basis der Gewohnheitsbildung.
Das Gegenteil von Gewöhnung ist Sensibilisierung: Bei schädlichen Reizen besteht
eine zunehmende Reaktionsbereitschaft. Selbst bei einzelligen Lebewesen wie Stentor
ist dieses Verhalten zu beobachten. Wenn man das Trompetentierchen schädlichen
Partikeln aussetzt, zieht es sich in seine Röhre zurück. Beim nächsten Reiz dieser Art
geht der Rückzug deutlich schneller vor sich, und wenn sich der schädliche Reiz noch
einige Male wiederholt, löst die Zelle schließlich ihren Fußteil vom Untergrund und
lässt sich vom Wasserstrom davontragen, bis sie eine weniger lebensfeindliche Stelle
findet, an der sie sich niederlässt, eine neue Röhre ausbildet und ihr normales Leben
wieder aufnimmt. Auch bei Aplysia ist eine solche Sensibilisierung zu beobachten. Kan-
del und seine Mitarbeiter beschreiben etliche Veränderungen an Nervenzellen, zu denen
es dabei kommt. Während bei der Gewöhnung immer weniger Neurotransmitter von den
sensorischen Neuronen an den synaptischen Verbindungen zu den motorischen Neuron-
en freigesetzt werden, nimmt diese Ausschüttung bei der Sensibilisierung zu. [367]
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