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Das Versagen des Reduktionismus
Materialisten haben immer geglaubt, Atome seien die letzte Realität, und lange haben
sie versucht, einfach alles anhand der Physik und Chemie dieser winzigen Teilchen und
ihrer Interaktionen zu erklären: Sie waren die verlässliche Basis für alle materiellen
Erklärungen. Erst die Physik des zwanzigsten Jahrhunderts konnte zeigen, dass Atome
keine trägen, massiven Stoffteilchen sind. Sie sind Schwingungsgebilde, aus subato-
maren Teilchen bestehend, die selbst wieder Gebilde aus Schwingungen sind. Jetzt
müssen die Reduktionisten also alles anhand der Teilchenphysik und der physikalischen
Grundkräfte erklären. Geist sollte auf Gehirn »reduzierbar« sein, Gehirn auf die Chemie
und Physik von Nervenzellen, Zellen auf Moleküle, Moleküle auf Atome und Atome
auf subatomare Teilchen. Im Geist dieser atomistischen Auffassung sind viele Wis-
senschaftler der Überzeugung, die Physiker müssten nur die fundamentalen Felder und
Teilchen erklären, dann sei alles Weitere nur noch eine Frage der Ausarbeitung im De-
tail. Auch Stephen Hawking hat sich zu dieser Standardsicht der Dinge bekannt:
Da die Anlage der Moleküle und der Ablauf ihrer Reaktionen überall in der Chemie
und Biologie gleich sind, gibt uns die Quantenmechanik im Prinzip die Möglichkeit,
so gut wie alles, was wir ringsum sehen, innerhalb der Grenzen des Unschärfeprin-
zips vorauszusagen. (In der Praxis freilich sind die Berechnungen für Systeme mit
mehr als einigen wenigen Elektronen so komplex, dass wir sie nicht anstellen
können.) [270]
Sogar Lee Smolin, Abweichler auf dem Gebiet der Multiversen-Theorie, entpuppt sich
als ganz normaler Reduktionist: »Zwölf Teilchen und vier Kräfte - mehr brauchen wir
nicht, um alles in der uns bekannten Welt zu erklären.« [271] Hawking und Smolin nehmen
es wie viele andere Physiker schlicht als selbstverständlich, dass die Phänomene der
Chemie, des Lebens und des Geistes anhand einer umfassenden Theorie der Element-
arteilchen vollständig zu erklären seien. Es ist das alte materialistische Vorhaben in
neuer Aufmachung. Die Dinge zu zerlegen und die Teile zu analysieren, das ist relativ
einfach. Das Ganze zu erfassen ist viel schwieriger, dazu müssen wir außer den Teilchen
auch noch ihre Wechselwirkungen verstehen. Und diese Wechselwirkungen sind eben
nicht in den Teilen enthalten . Wenn man die Moleküle in einer Brieftaube untersuchen
möchte, muss man die Taube töten, ihr Gewebe und ihre Zellen präparieren und zentri-
fugieren, um ihre molekularen Bestandteile zu isolieren. Dabei gehen natürlich der ges-
amte körperliche Bau und das Verhalten der Taube verloren, und das Endprodukt ist
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