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sich das Licht von der Gegenwart in die Vergangenheit, und das widerspricht dem ge-
wohnten Kausalitätsverständnis. Diese zweite Lösung ist mathematisch ebenso einwand-
frei wie die erste, wird aber von den Physikern als »unphysikalisch« ignoriert.
Es gibt jedoch auch quantenmechanische Deutungen, die zeitlich rückwärts wirkende
physikalische Einflüsse, das heißt von der Zukunft ausgehende Wirkungen, zulassen.
Nach Richard Feynmans Auffassung kann man ein Positron, das Antiteilchen eines
Elektrons, als ein Elektron verstehen, das sich in der Zeit rückwärts bewegt. In der »tran-
saktionalen« Deutung der Quantenmechanik [263] werden Quantenprozesse als stehende
Wellen zwischen sogenannten Emittern und Absorbern gesehen: Vom Emitter zum Ab-
sorber laufen Wellen mit der Zeit und in diesem Sinne vorwärts, während sie vom Ab-
sorber zum Emitter zeitlich rückwärts laufen. Beispiel: In dem Augenblick, in dem Ihr
Auge ein von dieser Seite reflektiertes Photon oder Lichtquantum aufnimmt (absorbiert),
sendet (emittiert) es eine Art Antiphoton, das im selben Augenblick, in dem das Photon
von der Buchseite ausgeht, diese seinerseits erreicht. So kommt es zu einem »Hän-
dedruck« zwischen der Seite und Ihrem Auge: Die Verbindung geht räumlich wie zeitlich
in beide Richtungen.
Der Physiker Yakir Aharonov und seine Kollegen schlugen eine weitere Deutung des
zeitlichen »Gegenverkehrs« in der Quantenmechanik vor. Aharonov ist als Mitentdeck-
er des Aharonov-Bohm-Effekts bekannt, eines Grundsachverhalts der Quantentheorie,
der etwas mit Supraleitfähigkeit und anderen Quanteneffekten zu tun hat. Aharonov
und seine Kollegen lassen neben mit der Zeit verlaufenden Quantenprozessen auch
zeitlich rückläufige zu: »Zeit-Evolution wird als Korrelation von Vorwärts- und Rück-
wärtszuständen an der Nahtstelle von Augenblicken gesehen.« Bei dieser Arbeit geht es
zwar nur um sehr kurze Zeitabschnitte, doch Aharonov und seine Kollegen machen auf
verblüffende Konsequenzen aufmerksam, sollten diese Prinzipien auch für das Univer-
sum insgesamt gelten. Der Endzustand des Universums - sollte es einen geben - würde
dann rückwärts wirken und die Gegenwart beeinflussen:
Die Quantenmechanik lässt uns die Existenz eines künftigen echten Grenzzustands
annehmen - eines mutmaßlichen Endzustands des Universums. Ob man diese Vor-
stellungen aus philosophischen oder ideologischen Gründen mag oder nicht, die
Quantenmechanik jedenfalls bietet die Möglichkeit, sowohl einen Anfangszustand als
auch einen eigenständigen Endzustand zu spezifizieren. Worin der Endzustand be-
stehen mag, falls es ihn denn gibt, wissen wir nicht. [264]
Zeitlich rückläufige Prozesse in der Quantenmechanik, so vermuten Aharonov und seine
Kollegen, könnten nur die Spitze eines ganzen Eisbergs von rückwärts wirkenden Ein-
flüssen sein.
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