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»ausgetretenen« Entwicklungswege rollen. Waddington bezeichnete diese Täler oder
Rinnen als Chreoden - darin stecken die griechischen Wörter für »notwendig« und
»Weg«. Dieses Modell hat den Vorteil, dass es sinnfällig erklären kann, wie sich normale
Organe auch dann bilden können, wenn die Entwicklung durch irgendetwas gestört wird:
Wenn die Kugel aus der Bahn gelenkt wird und ein Stück die Böschung ihrer Chreode
hinaufrollt, nimmt sie trotzdem weiterhin den Weg in Richtung ihres Attraktors. Wad-
dington sah diese epigenetischen Landschaften als formgebende oder eben morphogen-
etische Felder.
Abbildung 7: Bildliche Darstellung einer tief »eingefahrenen« Chreode (A) und ein-
er anfänglich noch weniger stark ausgeprägten Chreode (B). Eine Kugel würde das
Tal entlang zu seinem Endpunkt, dem Attraktor, rollen.
Auch im epigenetischen Modell ist die Wirkung des Attraktors der Gravitation analog
dargestellt. Ein sich entwickelndes System wird von seinem Ziel- oder Endpunkt angezo-
gen, folgt also nicht nur einem aus der Vergangenheit kommenden Schub, sondern auch
einem Zug aus der Zukunft.
Der französische Mathematiker René Thom entwickelte in den siebziger und achtziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts Waddingtons Ideen anhand dynamischer topologischer
Modelle weiter. Waddingtons Modelle konnten als einfache Diagramme dargestellt wer-
den, während Thoms wesentlich anspruchsvoller waren. Sie beruhten auf einem »Differ-
enztialtopologie« genannten mathematischen Verfahren, in dem es um die Berechnung
glatter Oberflächen und ihrer Überführung in Körper mit unterschiedlichen räumlichen
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