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Tierverhalten
Tierisches Verhalten ist wie die Morphogenese zielorientiert. Die Instinkte der Tiere wer-
den gleichsam zu Attraktoren hingezogen, die dem Wachstum, dem Überleben und der
Vermehrung dienen, individuell und in der Gemeinschaft, zum Beispiel in einem Bienen-
staat. Wenn Tierverhalten zielgerichtet ist, muss damit nicht unbedingt ein Zielbewusst-
sein verbunden sein - so wenig, wie das zielgerichtete Wachstum bei der Schirmalge von
Bewusstsein begleitet ist.
Instinktverhalten besteht häufig aus mehr oder weniger stereotypen Verhaltens-
abläufen, aus festgelegten Aktionsmustern. Der Endpunkt eines solchen Aktionsmusters
kann der Beginn des nächsten sein. Den Endpunkt einer Kette von fixierten Ak-
tionsmustern nennen wir End- oder Abschlusshandlung, zum Beispiel das Schlucken der
Nahrung.
Tiere besitzen, ähnlich wie es bei der Ausbildung der äußeren Form ist, die in ihnen
angelegte Fähigkeit, ihr Verhalten so abzuwandeln, dass der Endpunkt trotz einer
Störung erreicht wird. Den Verhaltensforschern ist aufgefallen, dass viele Aktionsmuster
eine »fixierte Komponente« und eine relativ flexible »Orientierungskomponente« auf-
weisen. Eine Graugans beispielsweise holt ein aus dem Nest gerolltes Ei mit dem Sch-
nabel zurück: Sie hält den Schnabel hinter das Ei und rollt es zu sich heran ins Nest
zurück. Das bei diesem Rollen auftretende »Eiern« gleicht die Gans geschickt mit klein-
en Seitwärtsbewegungen des Schnabels aus. [259] Bei diesen Ausgleichsbewegungen muss
die Gans sehr flexibel reagieren, um das angestrebte Ziel zu erreichen.
Die Übereinstimmungen zwischen zielgerichtetem Verhalten und Morphogenese wer-
den beim Nestbau besonders deutlich. Weibliche Lehmwespen einer in Australien
lebenden Paralastor -Art bauen ein Erdnest, indem sie zuerst eine Röhre von etwa acht
Zentimetern Länge und sechs Millimetern Durchmesser in eine Böschung aus harter,
sandiger Erde graben. Dann weicht die Wespe in der Nähe des Nests etwas Lehm mit
Wasser aus ihrem Kropf auf und rollt ihn mit den Mundwerkzeugen zu einer Kugel,
die sie in die Röhre trägt, um sie mit dem aufgeweichten Lehm auszukleiden. Danach
baut sie aus weiteren Lehmkugeln einen großen Trichter über dem Eingang auf (Ab-
bildung 5A). Der Sinn dieses Trichters scheint darin zu bestehen, parasitierende Wespen
fernzuhalten, die sich an der glatten Innenwandung des Trichters nicht halten können
und wieder herausfallen.
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