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Die Ziele lebendiger Organismen
Maschinen haben anders als Lebewesen keine eigenen inneren Zielsetzungen. Ein Auto
verspürt anders als ein Pferd nicht den Wunsch, sich eher hierhin als dorthin zu bewe-
gen. Auch ein Computer hat selbst nichts vor, sondern führt einfach nur Programme aus,
die darauf ausgelegt sind, den Zwecken seines Benutzers zu dienen. Ein Lenkflugkörp-
er wählt sein Ziel nicht selbst, es ist ihm einprogrammiert. Eine Wettflugtaube dage-
gen steuert gezielt den heimatlichen Schlag an. Maschinen dienen menschlichen Zweck-
en, die nicht in der Maschine selbst liegen, während Organismen, auch Menschen, ihre
eigenen Ziele und Zwecke haben. Wie wir noch sehen werden, kommt ihr Zweck zun-
ächst in der Morphogenese oder »Form-Werdung« zum Ausdruck, das heißt in der Ent-
stehung ihrer äußeren Körperform, zum Beispiel in der Entwicklung einer Buche aus ein-
er Buchecker oder eines Eisvogels aus einem Ei.
Die mechanistische Philosophie gab also den Gedanken der finalen Ursache auf, und
fortan gab es in der Natur keine in ihr selbst liegenden Zielsetzungen mehr. Heutige
Biologiestudenten denken nicht in Zwecken, sondern müssen alles unter dem Gesicht-
spunkt eines neodarwinistischen Evolutionsdenkens betrachten: Ein Auge ist nicht dazu
da, das Sehen zu ermöglichen, sondern ist einfach das Produkt genetischer Zufallsmu-
tationen, die sich im Prozess der natürlichen Auslese entweder durchsetzen oder nicht.
Augen haben sich entwickelt, weil Tiere, die sehen können, bessere Überlebens- und
Vermehrungschancen haben als solche, die nicht sehen können. Das Problematische an
solchen Darstellungen ist, dass sie die Zweckorientierung lebendiger Organismen nicht
erklären, sondern schon voraussetzen. Lebewesen existieren, weil bereits ihre Vorfahren
»zweckmäßig« waren, was daran zu erkennen ist, dass sie wachsen, überleben und
sich vermehren konnten. Was ihre diesbezüglichen Chancen verbesserte, wurde von der
natürlichen Auslese begünstigt, aber diese grundlegende Zielorientierung war bereits in
den ersten lebenden Zellen gegenwärtig.
Descartes und viele andere Wissenschaftler sprachen dem Menschen noch eine
Zielorientierung zu, während diese der gesamten übrigen Natur fehlen sollte. Menschen
besaßen über die stoffliche Natur hinaus eine rationale Seele, und sie allein waren be-
wusst und zu zielstrebigem Verhalten fähig. Menschen waren die Ausnahme. Dem stim-
men jedoch die Materialisten nicht zu. Für sie ist der Mensch nicht grundsätzlich von der
übrigen Natur verschieden, eine immaterielle menschliche Seele gibt es nicht. Es gibt
nur mechanisch funktionierende Gehirne.
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