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Maschine Mensch) , leugnete die Existenz einer Seele, beseelte dafür aber die Materie
des Körpers, indem er ihr ein Fühlen zusprach. [232]
Denis Diderot (1713-1784), ein bedeutender Vertreter der Aufklärung, sprach aller
Materie und nicht nur den lebendigen Organismen Subjektivität zu. 1759 schrieb er: »Die
Empfindungsfähigkeit … ist eine generelle Wesenseigenschaft der Materie.« [233] Und:
»Vom Elefanten bis zum Floh und vom Floh bis hinunter zum empfindenden lebendigen
Atom, dem Ursprung von allem, gibt es in der Natur keine Stelle, die ohne Leid und ohne
Freude wäre.« [234]
Zwischen etwa 1780 und 1880 war der Panpsychismus vor allem in Deutschland ver-
breitet. Für Johann Gottfried Herder (1744-1803) war Kraft oder Energie das Grundprin-
zip der Realität, Grundlage aller geistigen und stofflichen Qualitäten. Sein Freund Go-
ethe erkannte in der Natur zwei große Triebkräfte, nämlich Polarität und Steigerung.
Polarität ist die ständige Anziehung und Abstoßung im Reich der Materie, und Steiger-
ung fügt dem eine geistige Dimension hinzu, ein stetiges Aufwärtsstreben, eine Art evol-
utionären Imperativ. Da Materie nie ohne Geist und Geist nie ohne Materie sein kann,
gilt außerdem, dass Steigerung auch die Materie betrifft und die Kräfte der Anziehung
und Abstoßung auch im Geist wirken. [235]
Arthur Schopenhauer schrieb in Die Welt als Wille und Vorstellung (1819) allen Dingen
einen Willen zu, der in ihren Wünschen, Gefühlen und Seelenregungen zum Ausdruck
komme. Materielle Körper waren für ihn »Objektivierungen« des Willens. In der Natur
manifestierte sich der Wille als physikalische Kräfte wie die Schwerkraft oder die mag-
netische Anziehung und Abstoßung.
Zahlreiche andere Denker in der Deutsch sprechenden Welt des neunzehnten Jahrhun-
derts äußerten ähnliche Ansichten, aber zwei von ihnen sind besonders wichtig. Der
Physiker, Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Ernst Mach (1838-1916), der von ein-
igem Einfluss auf Einsteins Relativitätstheorie war, distanzierte sich ausdrücklich von
einem mechanistischen Materiebegriff. Er sagte, die Welt bestehe eigentlich nicht aus
»Dingen«, sondern aus Farben, Tönen, Drücken, Räumen und Zeiten, letztlich also aus
individuellen Empfindungen. [236] Und Ernst Haeckel, Deutschlands prominentester Ver-
fechter der Darwinschen Evolutionstheorie, betrachtete, wie er selbst sagte, alle Mater-
ie als beseelt und folglich mit Gefühl und Bewegung begabt. Bei allen Lebewesen, auch
Mikroben, sind nach seinem Verständnis bewusste psychische Vorgänge gegeben. Auch
nichtorganische Materie, so argumentierte er, habe eine geistige Seite, aber er stellte
sich die elementaren psychischen Qualitäten der Empfindung und des Willens, die man
auch Atomen zusprechen kann, als unbewusst vor. [237]
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