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müsste, aber indem er Argumente vorbringt, auf deren Überzeugungskraft er setzt,
macht er wohl für sich und die Leser seines Buchs eine Ausnahme.
Francis Crick mühte sich über Jahrzehnte um eine mechanistische Erklärung des
Bewusstseins. Er gab auch freimütig zu, dass die materialistische Theorie eine »erstaun-
liche Hypothese« ist, die in krassem Gegensatz zum Alltagsbewusstsein steht: »Sie, Ihre
Freuden und Kümmernisse, Ihre Erinnerungen und Bestrebungen, Ihr Gefühl von Iden-
tität und freiem Willen - all das ist in Wirklichkeit nicht mehr als ein riesiges Gefüge von
Nervenzellen und ihrer Chemie.« [216] Vermutlich sah Crick sich selbst in diese Darstel-
lung eingeschlossen, aber er muss wohl auch gemeint haben, dass an seiner Argumenta-
tion mehr dran war als die automatische Aktivität von Nervenzellen.
Materialisten geht es unter anderem um die Ablehnung von allem Religiösen. Francis
Crick war wie Daniel Dennett ein militanter Atheist. Dualisten dagegen ist das Überleben
der Seele ein traditionelles Anliegen. Wenn die menschliche Seele immateriell ist, kann
sie nach dem Tod des Körpers fortbestehen.
Der Materialismus ist nicht immer die naturwissenschaftliche Schulmeinung gewesen.
Die Begründer der mechanistischen Naturwissenschaft im siebzehnten Jahrhundert war-
en dualistische Christen. Materie war für sie etwas Niederes, unbelebt und gänzlich
mechanisch, während der Menschengeist etwas Höheres darstellte und etwas ganz ande-
res war als bewusstlose Materie. Sie schufen eine unüberbrückbare Kluft zwischen den
beiden, im Glauben, auf diese Weise ein stichhaltiges Argument für die Unsterblichkeit
der Seele zu gewinnen und den Menschen noch deutlicher von den Tieren abzuheben.
Der mechanistische Dualismus wird vielfach auch als kartesianischer Dualismus
bezeichnet. Er besagt, dass Geist seiner Natur nach immateriell und unkörperlich ist,
während Körper Maschinen aus nichtbewusster Materie sind. [217] Die meisten Menschen
hängen fraglos dieser dualistischen Sicht der Dinge an - jedenfalls solange sie sie
nicht verteidigen müssen. Im Allgemeinen finden wir es selbstverständlich, dass wir
eine gewisse Willensfreiheit besitzen und für unser Tun verantwortlich sind. Unser
Bildungssystem und unser Rechtssystem beruhen auf dieser Annahme. Wir erfahren uns
auch selbst als bewusste Wesen mit einem gewissen Maß an Wahlfreiheit. Wenn wir über
Bewusstsein diskutieren, setzen wir ja voraus, dass wir selbst bewusst sind. Trotzdem
sind die meisten Naturwissenschaftler und Philosophen der englischsprachigen Welt seit
den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Materialisten, mag diese Doktrin noch so
viele Probleme mit sich bringen.
Das stärkste Argument für den Materialismus besteht darin, dass Dualisten nicht
erklären können, wie Geist funktioniert und wie er mit dem Gehirn zusammenarbeitet.
Für den Dualismus spricht andererseits der Umstand, dass der Materialismus wider-
sprüchlich und so wenig plausibel ist.
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