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Nach einer anderen Klasse spekulativer Theorien steht unser Universum in einer Ab-
folge von Universen - es stammt von einem früheren ab und wird selbst ein nächstes her-
vorbringen. Das hat etwas von der alten indischen Philosophie der kosmischen Zyklen.
Das Universum wird unter Aufsicht des Gottes Brahma aus dem kosmischen Ei geboren,
Vishnu begleitet sein Leben und Weben, und Shiva schließlich zerstört es am Ende
wieder. Danach entsteht wieder ein neues Universum - und immer so weiter. Nach einer
etwas anderen Darstellung sind die Universen Atemzüge Brahmas: Er atmet ein Univer-
sum aus und wieder ein, um anschließend ein neues auszuatmen und so weiter.
In der modernen Kosmologie führt dieses uralte zyklische Denken zum Modell des
»zurückprallenden Universums«. Nach dem Urknall dehnt sich das Universum über Jahr-
milliarden aus, bis die Ausdehnung immer langsamer wird, zum Stillstand kommt und
unter dem Einfluss der Gravitation in Kontraktion umschlägt, bis das gesamte Universum
als Umkehrung des »Big Bang« oder Urknalls in einem »Big Crunch« in sich zusammen-
stürzt. Danach kommt es zur Geburt eines neuen Universums mit einem Urknall, und den
ganzen Prozess nennt man »Big Bounce«, das große Zurückprallen. [189]
Gegen diese Theorie spricht die gegenwärtige Annahme einer beschleunigten Aus-
dehnung des Universums aufgrund der dunklen Energie. Ein universaler Kollaps gilt
als keine sehr wahrscheinliche Möglichkeit. Als Lösung dieses Problems schlägt der
Mathematiker Roger Penrose ein Modell vor, in dem die rasant beschleunigte Aus-
dehnung des Universums letztlich alles so sehr verdünnt, dass alle raum-zeitlichen Para-
meter egalisiert werden. Schwarze Löcher werden sich verflüchtigen, Sterne und Galaxi-
en lösen sich auf, sogar die Elementarteilchen zerfallen zu Photonen. Das alte Universum
wird am Ende dem jungen ähnlich sein, nur ist es von anderer Größe. Dieses Problem
zaubert Penrose mit der weiteren Vermutung weg, dass Größenordnung in diesem Ex-
tremzustand keine Rolle mehr spielt und das Endstadium-Universum das Frühstadium
des nächsten sein könne. Smolin nennt das »köstlich absurd, aber möglicherweise doch
zutreffend«. [190]
Gemeinsam ist allen diesen Theorien der Glaube an das Primat der Mathematik. Sollte
es viele Universen neben unserem geben, vielleicht auch eine Folge von Universen, in
der unseres das vorläufig letzte ist - was ist dann letztlich die Grundlage dieser Uni-
versen? Antwort: eine mathematische Formel, die den von ihm beherrschten Universen
transzendent ist. Kurzum, dies ist ein neuer, nur ziemlich extravaganter Platonismus.
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