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Ewige Mathematik
Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, erbrachte die Suche der griechischen Philo-
sophen nach einer ewigen Wirklichkeit hinter den wechselnden Erscheinungen der Welt
ganz unterschiedliche Lösungsansätze. Die Materialisten sahen die Atome der Mater-
ie als das ewig Unwandelbare an, während Pythagoras und seine Nachfolger an ewige
immaterielle Prinzipien der Harmonie glaubten, denen die Ordnung des Universums,
vor allem aber des Himmels entsprang. Mathematik war das, was den menschlichen
Geist mit der Intelligenz des Göttlichen verband, die mit transzendenter Vollkommenheit
und Ordnung in der Schöpfung herrschte. [157] Die Pythagoreer waren nicht nur Philo-
sophen, sondern schlossen sich zu mystischen Lebensgemeinschaften zusammen, in den-
en es gemeinschaftliches Eigentum gab und Männer und Frauen gleichgestellt waren.
Sie ernährten sich vegetarisch und glaubten an die Seelenwanderung. Und sie glaubten,
der menschliche Geist könne durch intellektuelle und moralische Disziplin zu mathem-
atischen Wahrheiten gelangen und sich auf diesem Wege die Mysterien des Kosmos er-
schließen. Nach ihrer Überzeugung beherrschte eine regelhafte Intelligenz das Univer-
sum, und diese Intelligenz war auch im menschlichen Geist gegenwärtig.
Platon war stark vom pythagoreischen Denken geprägt, ging jedoch weiter. Er gen-
eralisierte die Vorstellung der ewigen mathematischen Wahrheiten und gelangte zu ar-
chetypischen oder universalen Formen oder Ideen, zu denen nicht nur die mathemat-
ischen Prinzipien gehörten, sondern auch die Formen oder Ideen aller Dinge und Ei-
genschaften, etwa der Pferde, der Menschen, der Farben oder der Güte. Diese Ideen ex-
istieren in einer immateriellen transzendenten Sphäre außerhalb von Raum und Zeit. Die
Ordnung des gesamten Kosmos entspringt dieser transzendenten Sphäre. Die Pferde, die
wir in der Welt sehen, sind ein schattenhafter Widerschein der ewigen Pferd-Essenz, der
Pferd-Idee jenseits von Raum und Zeit. Alle einzelnen Dinge, die unseren Sinnen in der
Welt begegnen, sind Widerspiegelungen transzendenter Formen.
Darauf bezieht sich Platons berühmtes Höhlengleichnis, in dem er die Gegenstände
unserer Sinneswahrnehmung mit Schatten an der Rückwand einer Höhle vergleicht, be-
trachtet von Gefangenen, die mit dem Rücken zu einem Feuer so angekettet sind, dass
ihr Blick nur auf die Höhlenwand fallen kann. Sie sehen immer nur die Schatten der
Dinge, die sich am Feuer vorbei bewegen. Hier der zweite Teil des Gedankenexperi-
ments:
Nun betrachte auch, sprach ich, die Lösung und Heilung von ihren Banden und ihrem
Unverstande, wie es damit natürlich stehen würde, wenn ihnen Folgendes
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