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einflussreichsten Zeitschriften der Bevöl-
kerung avancierte. Ab 1918 war Shang-
hai die Heimat des Revolutionsführers
und Staatsmannes Dr. Sun Yat-sen (Sun
Zhongshan), der in den darauffolgenden
zwei Jahren in seinem Wohnsitz in der
Französischen Konzession einige seiner
wichtigsten Werke verfasste. In diesen
Jahren wird Shanghai zur wichtigsten po-
litischen Bühne des Landes.
Nach dem Ersten Weltkrieg und dem
Versailler Vertrag gingen die deutschen
Besitzungen Chinas unmittelbar an Ja-
pan und wurden nicht an China zurück-
gegeben. Für viele Chinesen war dies
ein weiterer Schlag ins Gesicht und Aus-
löser der „Bewegung des 4. Mai“. Die-
se von Chen Duxiu 1919 an der Beijing
Universität organisierten Proteste be-
gannen am 7. Mai in Shanghai. Radikale
lAss dicH nicHt sHAngHAien!
„Lass dich nicht shanghaien“ lautet ein
scherzhaft gemeinter Spruch, den man
immer wieder von Freunden, Verwand-
ten oder Bekannten vor einer Reise nach
Shanghai zu hören bekommt. Doch was
steckt eigentlich dahinter?
Der Begriff „shanghaien“ geht zurück
auf die Mitte des 19. Jahrhunderts und
bezeichnet das mehr oder minder gewalt-
same „Anheuern“ von Matrosen auf die
Segler der Weltmeere. Shanghai war schon
immer eine Stadt, in der niemand nach
Einreisepapieren oder einem Visum fragte.
Jeder konnte sich frei bewegen, niemand
musste lästige Fragen nach Herkunft, Reli-
gion, Familienverhältnissen oder Beruf be-
antworten und so trieben sich in der Stadt
auch zahlreiche mehr oder minder dubio-
se Gestalten herum. Im Shanghaier Hafen,
zu seiner Zeit der größte in Ostasien, lagen
Schiffe aus aller Herren Länder. In den ver-
ruchten Spelunken und Bordellen des Ha-
fenmilieus rund um den Shanghai Broad-
way (der heutigen Daming Lu) trafen sich
die Seeleute aus allen Erdteilen, um nach
Wochen oder Monaten auf See ihren Ver-
gnügungen nachzugehen. Gerade in den
1920er- und 1930er-Jahren ist der Name
Shanghai mit einer besonderen Art der
Berufsvermittlung zu einem zweifelhaften
Ruhm gekommen.
Um frische Arbeitskräfte für die langen
und aufreibenden Schiffspassagen über
die Weltmeere zu bekommen oder um aus
irgendwelchen Gründen verloren gegan-
gene Matrosen zu ersetzen, wurde ein ein-
facher, aber äußerst effizienter Trick ge-
nutzt. Der Kapitän eines unterbesetzten
Schiffes schickte zwei seiner Matrosen ge-
gen einen von ihm gezahlten Aufschlag ih-
rer Heuer in eine der Hafenkneipen, um
die ahnungslosen Opfer in ausgelassener
und feucht-fröhlicher Gesellschaft so lan-
ge mit Spirituosen zu verköstigen, bis die-
se ihre Umgebung vergaßen und auch ih-
rer Muttersprache nicht mehr Herr wa-
ren. Die volltrunkenen Männer wurden
noch am selben Abend von den Matrosen
auf das Schiff geschleppt - und fanden sich
bereits am nächsten Morgen auf hoher See
wieder. Da diese Art der Jobbörse beson-
ders häufig in Shanghai vorkam, wurde
der Begriff „shanghaien“ unter Seeleuten
weltbekannt.
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