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Nipponesische Logik oder In der Gruppe denkt sich's besser
Es ist wahr, die Japaner denken in anderen Bahnen als die Deutschen. Ein Hirnforscher führt das auf eine
stärkere Benutzung der rechten Gehirnhälfte zurück, die für Gefühle zuständig ist und den Draht zu anderen
Menschenherstellt.TatsächlichdenkensichJapanermehrinanderehinein-deshalbbietensieauchsoguten
Service an. Doch ohne den Schutz durch eine Gruppe können sie manchmal auch ziemlich hilflos wirken.
Der Wahrnehmungsforscher Tadanobu Tsunoda hat in den Achtzigerjahren mit dem Buch »Das Hirn der
Japaner«einenNervgetroffen.ÜberseineThesenstreitensichzwardieFachleute,abermeinerAnsichtnach
erklären sie trefflich all das, was einen als Deutschen an Japan so alles wundert.
MessungenanVersuchspersonenausverschiedenenKulturenhabenfürTsunodaergeben,dassdieJapaner
ihre rechte Gehirnhälfte mehr zur Geltung kommen lassen als die Bewohner des Westens. Dieser Teil des
Denkorgans kümmert sich um Gefühle, den Sinn für Schönes und den Draht zu anderen Menschen.
Als Schlussfolgerung sagt Tsunoda seinen Mitjapanern besondere Eigenschaften nach. Sie seien offener
für Ästhetik, sie nehmen eher das Große und Ganze wahr, und sie denken stärker für andere mit, behauptet
er. Zudem ordneten sie sich eher in der Gruppe ein. Und tatsächlich, so ist es.
Aus der älteren japanischen Literatur dringen eine Menschlichkeit und Wärme, die uns heute fremd sind.
In den Naturwissenschaften oder der Ingenieurskunst hatte Japan der Welt damals tatsächlich kaum etwas
zu bieten, doch in seiner Konzentration auf Ästhetik, Details und menschliche Beziehungen erreichte das
Inselreich immer neue Höhepunkte. In den Romanen des 11. Jahrhunderts konnten sich die Autoren wirk-
lich seitenlang über die tiefere Bedeutung eines Kimono-Musters auslassen, das eine Hofdame für ein Ren-
dezvous gewählt hatte. Beliebte Freizeitbeschäftigungen waren Düfteraten, Blumenstecken und Mondguck-
en. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit war wichtiger als der Blick in die Zukunft, denn die Kulturen
Ostasiens sahen die Welt als geordnetes, symmetrisches System, in dem die Geschichte sich stets wieder-
holt. Ganz anders eben als die westlichen Kulturen mit ihrer Erwartung der Apokalypse und ihrer Gier nach
Entwicklung, Steigerung, Wachstum, Rekorden, Höchstleistungen.
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