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MädchenandenRock,KoreanerstinkennachKnoblauch,undAmerikanermissachtendieVerbotsschilder.
Alle Klischees sind also bedient.
Einige Einheimische tun sich auch schwer damit, das Japanisch von uns Ausländern zu akzeptieren. Sie
nehmen zuerst an, wir würden Englisch sprechen und stellen ihre Ohren gar nicht darauf ein, dass aus dem
Mund des Fremden auch die eigene Muttersprache kommen könnte - schließlich glauben Japaner, sie sei
fürAußenstehendegarnichterlernbar.EinamerikanischerJapanveteranmitjapanischerStaatsbürgerschaft
beschrieb es so: »Es fühlt sich an, als müsse man jedes Mal die Kopfhörer entknoten, bevor Kommunika-
tion möglich ist.«
Ich sagte also im Elektroladen auf Japanisch: »Führen Sie auch Flusenfiltereinheiten für ältere Sanyo-
Waschmaschinen?«, und der Verkäufer stotterte, er könne leider kein Englisch, er werde aber sofort einen
Kollegen holen, der mit mir sprechen könne. Erst als ich ihm den kaputten Flusenfilter ins Gesicht hielt
und sagte: »Ich - will - das - hier!«, nickte er und trabte los, um das Ersatzteil zu holen.
In letzter Zeit passiert mir dieser Ich-verstehe-dein-Englisch-nicht-Effekt allerdings immer seltener. »Es
muss mit der Art zu tun haben, wie du guckst und dastehst«, vermutete Akiko.
Jeder Ausländer kennt die erschreckten Gesichter, die sich in kleineren Cafés auf den nichtjapanischen
Gast richten, wenn er zur Tür hereinkommt. Nicht nur die Wirtin, sondern auch alle Gäste halten inne und
schauen den Neuankömmling an. Erst, wenn er auf Japanisch das Schweigen bricht und etwa fragt: »Ist
es okay, wenn ich mich setze?«, wenden die Leute sich wieder ihrem Kaffee zu und wird die Bedienung
wieder emsig: »Oh, ja klar, setzen Sie sich doch. Kommen Sie mit der japanischen Karte klar?« Wenige
Minuten später setzen auch die Gespräche der älteren anwesenden Japaner wieder ein. Das bedeutet für
mich, dass sie auch vorher miteinander gesprochen haben, aber beim Auftritt des Fremden vom Donner
gerührt in Starre verfallen sind. Der Grund ist klar. Alle denken, der Ausländer sei hier falsch und könne
nur Englisch. In Tokio geschieht das nur in ganz individuellen Läden in den Außenbezirken, damals in
Fukui passierte mir das täglich.
Ganz Japan quält sich pausenlos mit Englischkursen, ohne wirklich Freude am Sprechen der Fremd-
sprache zu entwickeln. Als neulich die Umzugsfirma bei mir war, um den Abtransport meiner Sachen aus
Japan zu besprechen, bot mir der Vertreter als wichtigste Dienstleistung an: »… und am Zielort in China
werden Sie von einem japanischen Vertreter unserer Firma begrüßt.« Dann sah er meine hochgezogenen
Augenbrauen und fügte hinzu: »Aber vielleicht ist das für Sie gar nicht so wichtig?«
Ich nickte. Er nickte auch.
Zwar wissen so gut wie alle Japaner, woher ihr Reichtum kommt: vom Handel mit dem Ausland. Den-
noch kommen immer mal wieder welche auf die Idee, sich die ganzen Umstände mit dem schwierigen
Ausland wieder vom Leib zu schaffen. Der Animationsfilm »Vexille« beispielsweise malte sich aus, was
nach einer erneuten Abschließung des Landes passieren würde. Diese Zukunftsvision ist allerdings ziem-
lich düster ausgefallen: Das Land fällt auf den Lebensstandard von vor zweihundert Jahren zurück. Ein
Vertreter der kleinen »Restaurationspartei Neuer Wind« verstieg sich jedoch in einer Wahlkampfrede zu
der Idee, Japan erneut gegen das Ausland abzuschotten. Er gab dem Ganzen jedoch einen modernen An-
strich:»DieGlobalisierungmachtdieArbeitsplätzeundunserejapanischeArtkaputt.LegenwireineKette
um unser Land, und führen wir wieder ein Leben, das dem Tenno Ehre macht!« Er schaffte es mit dieser
Idee allerdings nicht ins Parlament.
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