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ist ein Diagramm, aus dem Wohlgefühl und Unbehagen, aber auch sexuelle Erregung oder die Anregung
des Appetits ablesbar sein sollen. Die Testpersonen müssen einen Helm voller Elektroden aufsetzen, der
aus einem schlechten Science-Fiction-Film der Sechzigerjahre stammen könnte.
Ein Professor in Nagoya hat dagegen für Nissan einen Lack entwickelt, der jedem Auto ein unverwech-
selbares DNA-Muster geben soll - um Fahrerflucht nach Unfällen zu verhindern. Die Auto-DNA könnte
in Japan Pflicht werden. Es würde mich nicht wundern, schließlich muss ich als Ausländer bereits meine
Fingerabdrücke abgeben.
Auch bei der Verwertung von Abwasser sind die Japaner für alles offen. Der Biologe Mitsuyuki Ikeda
war auf die konsequenteste Form des Recyclings von menschlichen Ausscheidungen gekommen: Lebens-
mittel. »Shit Burger«, hat Ikeda auf eine Frischhaltetüte geschrieben. In herzlicher japanischer Direk-
theit beschrieb der Wissenschaftler damit die Natur der braunen Streifen darin. Denn Ikeda leitete eine
Forschungsgruppe, die Fleisch aus Fäkalien gewann. Japan sucht schon lange nach Möglichkeiten, mehr
Lebensmittel im eigenen Land herzustellen. »Selbst Abwasser kann als etwas Nützliches wiederverwertet
werden«,sagteIkedaselbstbewusst.SeinVerfahrenentzogdenmenschlichenodertierischenAusscheidun-
gen die verbliebenen Proteine. Dieses Extrakt mischte Ikeda mit Steaksauce und Sojaproteinen. Das End-
produkt ähnelte tatsächlich Fleisch in Mundgefühl und Geschmack, zumindest auf den Scheiße-Burgern,
die Ikeda im Labor zubereitete. »Das Kanalisationsamt konnte durch unsere Forschung zeigen, dass Ab-
wasser gar nicht so gefährlich und ekelhaft ist, wie der Laie denkt«, sagte Ikeda.
Wegen der hohen Forschungskosten ist Ikedas Fäkalfleisch allerdings zwanzigmal teurer als totes Tier.
ManchmaltrauendieMenschenderTechnikauchetwasvielzu.EinKlingeltonzurBrustvergrößerungwar
eine Weile lang die am häufigsten heruntergeladene Anwendung fürs Handy. Der Psycho-Experte Hideto
TomebachihatteeineMelodieentwickelt,beiderenKlangsichdieOberweitevonFrauenausdehnensollte.
Ein Magazin berichtete von einer begeisterten 19-Jährigen, deren Brustumfang bereits von 87 auf 89 Zen-
timeter gestiegen war. Danach gab es kein Halten mehr. Schließlich ist ein Klingelton wesentlich billiger
als ein Silikonimplantat. Mehr und mehr Frauen und Mädchen zeigten sich vom Brustton überzeugt. Der
Fall bewies für mich erneut, dass Japaner in jeder Lebenslage vor allem auf ihr Mobiltelefon vertrauen.
FürMännerhatteTomebachiaucheineMelodieimAngebot,dieHaarausfallverhindernsollte.DerPsy-
chologieprofessor war in den Neunzigerjahren berühmt geworden, als er versprochen hatte, die Mitglieder
der Aum-Sekte von ihrer terroristischen Ideologie zu heilen - diese hatten zuvor Giftgas in der U-Bahn
freigesetzt.
Tomebachi behauptete, das weibliche Gehirn interpretiere die von ihm entwickelte Lautfolge als Baby-
geschrei. Das wiederum setze einen Mechanismus in Gang, der den Busen anschwellen ließe. Außerdem,
so führte der Wahrnehmungswissenschaftler aus, enthalte das Geräusch eine Komponente, die eine »Verla-
gerung vom Bauchfett ins Brustgewebe« bewirke.
Trotz der wissenschaftlich fundierten Erklärung schwand die Beliebtheit der Erfindung schnell wieder.
Das Fernsehen zeigte ein ultra-angesagt gestyltes Mädchen in Shibuya, das seine Freundin beschimpfte:
»Äh, du hast diesen Tittenton draufgeladen? Bescheuert! Hast du etwa Komplexe?«
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