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Alle paar Minuten pfiff ein Obersicherheitsmann auf einer Trillerpfeile, dann konnten etwa hundert Be-
sucher in den Hof vorrücken und geschlossen den wundertätigen Rauch einatmen. Wir warfen schnell un-
sere 50-Yen-Münzen, klatschten in die Hände, wünschten uns Glück und ließen uns dann von der Menge
seitlich wieder aus dem Tempel hinausschieben.
Ich kaufte mir noch so eine Art Indianerpfeil, der häusliches Glück brachte, wenn er in der Wohnung
nach Nordenausgerichtet lag. Obenhingen weiße Federn daran, unten ein paar Glöckchen undengzusam-
mengefaltet das Amulett mit den glücksbringenden Schriftzeichen. Die Spitze war mit einem Gummiprop-
fen gesichert.
Kenji zog noch ein Schicksalslos. Für 100 Yen durfte er eine Büchse schütteln. Aus einem Loch kam
eine Art Mikado-Stab mit einer Nummer. Der Priester hinter dem Schalter griff in die passende Schublade
und zog einen Zettel hervor. Darauf stand ein Jahreshoroskop. »Leider nur kleines Glück«, sagte Kenji
traurig.
Als ich auf dem Rückweg aus Kawasaki den Pfeil in der S-Bahn vor mir auf die Spitze stellte, sprach
mich eine ältere Dame an. »Herr Ausländer, Sie können den Pfeil nicht so in den Schmutz stellen, der Gott
könnte etwas dagegen haben, und dann wirkt das Amulett nicht mehr!«
Die Japaner lassen auch Science-Fiction wahr werden, wo immer es geht. Sie lieben vor allem elektrische
Geräte, die sprechen können. Dass mein Geldautomat jedes Mal zu mir sagt: »Vielen Dank für die Tran-
saktion, und kommen Sie bald wieder«, geht ja noch. Immerhin wiederholt er nicht die Geheimzahl laut
zur Kontrolle. Die redefreudigeren Fahrkartenautomaten der Bahngesellschaft nerven mich dagegen durch
ihre Ungeduld. Kaum hat sich ein Eingabebildschirm aufgebaut, beklagen sie sich. »Bitte machen Sie Ihre
Eingabe.WählenSiejetztauszwischenreserviertemPlatzoderReiseohneReservierung!MachenSieIhre
Eingabe!«
Einige Getränkeautomaten zeigen auf dem Bildschirm eine Verkäuferin in Uniform, die sich verbeugt,
wenn jemand an dem Apparat vorbeigeht. »Willkommen!«, flötet sie mir entgegen. »Sie haben ein heißes
Getränk gewählt - Bitte entnehmen Sie Ihr Getränk dem Auswurfschacht - Vielen Dank, und beehren Sie
uns bald wieder!« Mit meinem Getränk in der Hand habe ich dann das Gefühl, einen einfachen Automaten
sehr glücklich gemacht zu haben.
Klar, dass auch Aufzüge mehr reden als nötig. Sie kündigen nicht nur jedes Stockwerk an. Einige in-
formierenanjedemHaltfürsorglich:»DieserFahrstuhlbefindetsichimSelbstfahrbetrieb.«InKaufhäusern
leiert die Stimme oft noch herunter, ob es auf dieser Etage einen Übergang ins Parkhaus gibt und welche
Aktionswaren im Angebot sind. Wenn der Benutzer sofort nach dem Öffnen wieder auf den Schließknopf
für die Tür drückt, ohne auszusteigen, ist der Aufzug traurig: »Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten
lassen.«
Wie in Bussen undBahnen dauert die komplette Runde der Durchsagen die ganze Zeit bis zum nächsten
Stopp. Diese Maschinen schweigen nie. An einigen Bahnhöfen in Tokios U-Bahn-Labyrinthen sagt jede
Rolltreppe, in welche Richtung sie führt (»Ausgang C7, Ostshinjuku«), in der Mitte, was alles zu beachten
ist (»Vorsicht bei der Benutzung, wenn Sie einen Rock tragen. Nehmen Sie Kinder an die Hand. Nicht auf
die Handführung setzen …«) und warnt vor ihrem eigenen Ende (»Die Fahrtreppe endet hier. Bitte seien
Sie vorsichtig beim Verlassen der Fahrtreppe«). In Hörweite befinden sich oft sieben oder acht Rolltrep-
pen in beide Richtungen, und alle plappern durcheinander. Kommt da nicht auch der versierteste Blinde
durcheinander?
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